Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Einsatz in Afghanistan Schluss mit dem Selbstbetrug - Kommentar von Gerd Niewerth
Essen (ots)
Der Nato-Generalsekretär und die Kommandeure der Internationalen Schutztruppe am Hindukusch haben keinen leichten Stand. Trotz spürbarer Erfolge im Kampf gegen die Taliban müssen sie gleichzeitig an der "Heimatfront" die Stellung halten. Kontroverse Debatten über die Verlängerung oder gar Ausweitung der Afghanistan-Mandate werden derzeit in fast allen Ländern geführt, die Truppen nach Zentralasien geschickt haben. Die Parallelen sind erstaunlich: Während die Militärs vor Ort entschlossen sind, die Taliban niederzuwerfen, nimmt die Zustimmung in den Parlamenten und in der Bevölkerung rapide ab.
Nun rächt sich, dass die Politiker dem Volk vor sechs Jahren keinen reinen Wein eingeschenkt haben. Anstatt klipp und klar offen zu legen, wie lebensgefährlich die Mission sein würde, zeichneten sie das Bild eines harmlosen Friedenseinsatzes. Die Wahrheit hingegen ist brutal: In Afghanistan, zumindest im Süden, herrscht Krieg - Tote in Zinksärgen inbegriffen.
Der Selbstbetrug, der in Teilen der Großen Koalition, vor allem aber bei den realitätsfremden Grünen und Linken gepflegt wird, ist völlig fehl am Platze. Die menschenverachtenden Taliban, die Afghanistan jahrelang im Würgegriff hatten, lassen sich nicht durch Friedensmissionen bekehren. Mandate beenden und die Truppen nach Hause holen? Das kann wirklich nicht die Alternative sein. Schon am nächsten Tag würden die Gotteskrieger ihr altes Terrorregime installieren: eine absurde Schreckensherrschaft, die Radio, Fernsehen und Internet ebenso wenig duldet wie Drachenfliegen oder Schachspielen. Ein gemeines Mittelalter-Regime, das kranken Frauen untersagt, sich von männlichen Ärzten untersuchen zu lassen und Mädchen gleichzeitig verbietet, Schule und Universität zu besuchen. Und: Es sind dieselben Taliban, die Afghanistan zur sicheren Operationsbasis für El Kaida machten, das den Terror nach New York, London, Madrid und auch in unsere Städte trägt.
Selbstverständlich haben die Kritiker Recht. Der Aufbau kommt nicht voran, die Korruption und das Drogengeschäft blühen. Und auch das stimmt: Ein Aufbauteam mit 100 Entwicklungshelfern und Ingenieuren ist sicher so viel wert wie ein Bataillon mit 5000 Mann. Nur: Solider Aufbau ist erst dann möglich, wenn Soldaten das Land sicher gemacht haben. Aber das dauert.
In Afghanistan gibt es für den Westen kein Zurück. Wer nicht zulassen will, dass Afghanistan zu uns kommt, der muss die Freiheit am Hindukusch verteidigen.
Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de
Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell