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WAZ: Der Transrapid kommt in Fahrt: Stoibers Denkmal - Leitartikel von Ulf Meinke
Essen (ots)
Edmund Stoiber ist gewissermaßen der Uli Hoeneß unter den Ministerpräsidenten. Er betreibt Industriepolitik, wie der Manager des FC Bayern seinen Kader zusammenstellt. Das Beste ist gerade gut genug für den, der in der Champions League spielen will. Also kauft der FC Stoiber den Transrapid. Die Ablösesumme liegt bei rund zwei Milliarden Euro - mindestens.
Der scheidende bayerische Ministerpräsident macht seinen Wählern - und sich selbst - ein Abschiedsgeschenk. Entstehen soll ein 37 Kilometer langes Edmund-Stoiber-Denkmal, das vom Hauptbahnhof bis zum Flughafen in München reicht. Der Airport ist schließlich schon nach der CSU-Legende Franz Josef Strauß benannt. Fehlt nur noch der Edmund-Stoiber-Express.
Ja, der bayerische Transrapid wäre ein Stück verwirklichter nationaler Spitzentechnologie. Die Magnetschwebebahn symboli-siert deutschen Erfindergeist - zugleich aber steht die Schnellbahn für ein ausgeprägtes Zögern und Zaudern. Ausgerechnet die Chinesen waren es, die als erste den Transrapid für sich zu Nutze machten.
Stoiber, der Kanzler hätte werden können, wird nachgesagt, er denke als bayerischer Ministerpräsident auch in globalen Dimensionen. Jedenfalls betreibt er eine Politik aus dem Selbstverständnis heraus, der Freistaat sei nicht irgendein Bundesland, sondern ein besonders großartiger Teil Deutschlands. Doch die Frage sei erlaubt, warum für Bayerns Großartigkeit bundesweit der Steuerzahler blechen soll.
Doch auch beim Transrapid bleibt sich Stoiber treu. Im Land von Laptop, Lederhose und Fußball-Rekordmeister wird die Industriepolitik noch in der Staatskanzlei gemacht. Wie sein französischer Freund Nicolas Sarkozy betreibt Stoiber eine überaus aktive Wirtschaftspolitik, die sich nicht allein auf das freie Spiel der Marktkräfte verlässt. Ansiedlungen werden ebenso gefördert wie "nationale Champions" oder technologische Prestigeprojekte - und zwar nicht nur durch eine entsprechende Gesetzgebung, sondern auch ganz schlicht mit Geld. Ein Königreich gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Nein, an einer "Finanzlücke" von geschätzten 165 Millionen Euro lässt ein Ministerpräsident vom Schlage eines Edmund Stoiber das Prestigeprojekt Transrapid nicht scheitern. Vielleicht aber hat Stoiber dabei übersehen, dass der Freistaat doch keine Monarchie ist und sich nun seine Nachfolger mit den kleinen, aber überaus entscheidenden Details herumplagen müssen.
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