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WAZ: Die Misere der Bildungspolitik - Im Reformeifer vergessen - Leitartikel von Birgitta Stauber-Klein

Essen (ots)

Schnell, effizient, vergleichbar: Die heutige
Schülergeneration kann mit 22 Jahren bereits fit sein für den Start 
ins Berufsleben - und zwar als Akademiker. Dank zentralem Turboabitur
und einem komprimierten, schnell berufsqualifizierenden 
Bachelor-Studiengang.
Mit den jüngsten Bildungsreformen sind in der Tat die 
Rahmenbedingungen geschaffen worden, mit denen junge Leute 
ausgebildet werden können, die der internationalen Konkurrenz 
gewachsen sind. Das war nötig, das war richtig. Darin erschöpft sich 
allerdings auch schon das Lob über die Bildungspolitik von Bund und 
Ländern.
Denn die jüngsten Erfahrungen zeigen: Mit geänderten 
Rahmenbedingungen allein lassen sich nicht verkrustete Strukturen 
aufbrechen oder in Jahrzehnten liebgewonnene Gewohnheiten abschaffen.
Denn diejenigen, die unmittelbar vom Reformeifer betroffen sind, 
kommen mit ihnen nicht klar - weil diejenigen, die sie umsetzen 
müssen, also die Lehrer und Professoren, offenbar nicht in der Lage 
dazu sind.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Natürlich ist es der Glaube 
an die Relevanz des eigenen Fachs, der es den Lehrern an Schulen und 
Universitäten so schwer macht, den Unterrichtsstoff zu entschlacken. 
Dass sie entschlacken dürfen und sollen, war aber beispielsweise in 
NRW auch zweieinhalb Jahre nach der Einführung des Turboabiturs nach 
zwölf Schuljahren kaum bekannt. Erst nachdem der Schüler- und 
Elternprotest über die Arbeitsbelastung der Schüler immer massiver 
wurde, verbreitete das Düsseldorfer Schulministerium entsprechende 
Richtlinien und Beispiele.
Ganz ähnlich verhält es sich offensichtlich mit den 
Bachelor-Abschlüssen: Wenn sich die Reform darauf beschränkt, dass 
der Stoff von acht Semestern in sechs Semester gezwängt wird, dann 
ist sie erst einmal gescheitert. Die Reformmisere gipfelt womöglich 
in den verkorksten Abiturprüfungen in NRW. Sollte sich herausstellen,
dass der Abi-Jahrgang 2008 signifikant schlechter abschneidet als der
Jahrgang zuvor, dann waren wohl entweder die Aufgaben zu schwer oder 
die Vorbereitung darauf zu schlecht.
Seit Monaten wird in den Familien, in den Medien und in der 
Politik heftig darüber diskutiert, warum Studenten häufiger 
abbrechen, warum Zwölfjährige bereits ausgebrannt sind. Und warum so 
viele Lehrer gar nicht wissen, was sie wie umsetzen müssen. Allein 
dass es diese Fragen gibt, zeigt, dass bei den Reformen das 
Entscheidende vergessen wurde: die Vermittlung.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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