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WAZ: Afrika, Kondome, Katholiken - Der Papst und sein Amtsverständnis - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Papst Benedikt wird die lautstarke Kritik an seinen
Kondom-Thesen als oberflächlich, ungerecht und uninformiert 
betrachten - und sich davon herzlich wenig beeindruckt zeigen. Das 
ist zwar schade, liegt aber auch daran, dass es sich die sehr 
weltlichen, sehr parteipolitischen Kritiker Benedikts mitunter sehr 
einfach machen.
Erstens: Wer dem Papst Dogmatismus vorhält, verkennt das Wesen 
einer Kirche: Die ist nicht nur Gemeinschaft der Gläubigen, also 
abhängig vom Glauben ihrer Mitglieder, sondern auch: 
Glaubensgemeinschaft. Sie gibt vor, was zu glauben ist. Das ist 
natürlich nicht liberal, aber welche Kirche wollte je liberal sein?
Zweitens: Benedikt ist kein dogmatischer, verschrobener, alter 
Einzelgänger. Er bewegt sich in der Kontinuität seiner Vorgänger, 
auch des weltweit so verehrten Johannes Paul, der Benedikt in puncto 
Dogmentreue in nichts nachstand.
Drittens: Rom war schon immer weit. Pfarrer vor Ort, der 
Seelsorge, dem Tagesgeschäft sozusagen meist mehr verpflichtet als 
dem Prinzipiellen, haben gemacht, was sie für richtig gehalten haben,
zum Beispiel in Afrika Kondome verteilt oder schwangeren Frauen in 
Not geholfen. Will sagen: Das Ausmaß von Barmherzigkeit ist durchaus 
abhängig von der Entfernung zum Vatikan.
Viertens: Darf man darum den Papst nicht kritisieren? Man muss. 
Vor allem aus zwei Gründen: Wegen des Bildes, das er malt von seiner 
Kirche, die eben doch auch unsere ist; und dann wegen der Dinge, die 
Benedikt nicht sagte. Benedikt erweckt den Eindruck, die Dogmen der 
Kirche seien immerwährend. Das sind sie nicht. Die katholische Kirche
hat sich gewandelt, wenn auch oft spät oder aus Sicht vieler 
Gläubiger zu langsam. Darum darf sie sich nicht hinter Dogmen 
verstecken, sondern muss sich auch heute fragen, ob ihre Sexualmoral 
noch zeitgemäß ist. Wenn die meisten der Gläubigen sich an die 
Spielregeln nicht mehr halten, dann ist schon die Frage erlaubt, ob 
daran die Spielregeln schuld sind. Und dann redet Benedikt leider 
nicht mit heißem Herzen und aus brennender Sorge über die Würde der 
Frauen, die durch Kondomverzicht existenziell verletzt wird.
Fünftens: Schließlich Benedikts womöglich größtes Defizit: Anders
als sein Vorgänger hat er nicht verinnerlicht, dass ein Papst stets 
auch Politiker ist, wenn auch einer anderer Art. Nähme Benedikt seine
Rolle an, er würde in Afrika weit mehr erreichen als durch 
Ermahnungen, an die sich nicht einmal jene halten, die ihm zujubeln.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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