Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Beim Euro geht es auch um Merkel - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Wer sich die Regierung in Berlin anschaut, der sieht: Es läuft gut für die Opposition. Wer sich die Kanzlerin anguckt, kann die "Stones", Steinbrück und Steinmeier, nur beglückwünschen. Die Liberalen hinterlassen den Betrachter rat- bis fassungslos. Eine Überschrift für die FDP will einem nicht einfallen und Loriot nach Westerwelle zu fragen, ist ja nun leider auch nicht mehr möglich. Was würde Deutschlands Haus- und Hofhumorist wohl zu des Außenministers Behauptung, quasi im Alleingang Gaddafi friedvoll erlegt zu haben, sagen? "Guido, bitte sagen Sie jetzt nichts..." Auf drei Feldern hat die schwarz-gelbe Regierung ihre Fassung verloren. Und weil es sich ausgerechnet um jene Sujets handelt, die gerade bürgerliche Regierungen jahrzehntelang als ihre ureigene Stärke für sich in Anspruch nahmen, schwillt der Verdruss in den eigenen Reihen besonders an. Er könnte nicht nur den Außenminister das Amt kosten, sondern auch die Kanzlerin. Verpasst sie bei der Euro-Abstimmung in drei Wochen im Bundestag die Mehrheit, hat sie fertig. Die Bundesregierung hat ihre außenpolitische Trittsicherheit verloren. Im Fall Libyens argumentiert der Außenminister, die Mehrheit des Volkes sei gegen einen Militäreinsatz gewesen. Als ob dies in staatspolitisch bedeutsamen Fragen von Belang sein könnte. Die Deutschen wollten auch nicht die D-Mark abschaffen. Wenn eine Regierung schon den Versuch aufgibt, die Menschen von ihrer Politik zu überzeugen, kann sie auch gleich abdanken. Die Bundesregierung weiß nicht mehr, was sie tut. Wenn es Merkel und den Ihren wirklich ernst wäre mit den Vereinigten Staaten von Europa, dann müsste die Regierung sofort die Energiewende rückgängig machen. Eine derartiger wirtschafts- und umweltpolitischer Alleingang verträgt sich kaum mit dem Ziel, eine europäische Bundesregierung einzurichten. Gerade bürgerliche Regierungen haben stets für sich in Anspruch genommen, das Regierungshandwerk zu beherrschen. In Merkels Werkstatt will beinahe jeder Geselle etwas anderes. Die Bundesregierung steht nicht mehr ohne weiteres für Europa. Hat es je einen Regierungschef gegeben, der vom Bundespräsidenten, vom Bundestagspräsidenten und vom Vorgänger angegangen worden wäre, wobei alle drei derselben Partei angehören? Fazit: Deutschland geht es noch ganz gut. Trotz der Regierung.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de
Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell