Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: King of Kotelett, King of gar nix - Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Natürlich haben wir vorgestern in der Redaktion Peer Steinbrück gefragt, weshalb er nicht in eine Große Koalition eintreten will. Warum will er nur siegen oder weg sein? Weshalb will er bei der einzigen realistischen Machtoption, die seine Partei hat, selbst nicht dabei sein, was dazu führt, wie die FAZ feinsinnig anmerkte, dass die Sozialdemokraten weder einen Kanzlerkandidaten noch einen Vizekanzlerkandidaten haben. Steinbrück antwortete, was er seit einem Jahr sagt. Minister in einer Großen Koalition - das habe er schon einmal gehabt, das brauche er nicht noch einmal. Soweit das Persönliche. Und dann habe man ja auch, obwohl mit den eigenen Ministern erfolgreicher als die Unionsseite, das schlechteste Wahlergebnis der SPD-Geschichte eingefahren.
Einmal abgesehen davon, dass man Steinbrücks "King-of-Kotelett-Haltung", wie Marietta Slomka, wie Stefan Raab und wohl noch ein paar andere, ablehnen kann, auch, weil sie verstörend an die Weigerung des CDU-Kandidaten Röttgen erinnert, gleichfalls nur als Nummer eins (in Düsseldorf) zur Verfügung zu stehen. Steinbrück selbst hat die Erklärung - die Große Koalition als Trauma - nicht gelten lassen, ja sogar für gefährlich gehalten, weil sie davon ablenke, "sich mit dem Eingemachten der Partei zu beschäftigen". Das war 2010. Ab Seite 431 kann man es in seinem Bestseller "Unterm Strich" nachlesen. Von einer "verlorenen Leitidee" ist da die Rede, von der "Verspätung der SPD in der Realität", vom fehlenden Stolz über die Agenda, der wir heute Deutschlands Wohlstand mitverdanken, von "Trauer über den Verlust alter Sicherheiten und politischer Selbstgewissheiten". Kurzum, die SPD erscheine als "halbherzig modernisierende und zugleich als eine technikskeptische, sozialromantische" Partei, die glaube, man könne bei der Rente "die Mathematik der Demografie überlisten".
Man kann verstehen, wenn ein Kandidat heute anders redet, als er vor drei Jahren schrieb. Allerdings hat er seine Analyse auch nirgends revidiert. Bleiben zwei Fragen: Hat sich seit 2010 in der SPD etwas geändert? Will Steinbrück nicht mittun wegen der CDU - oder der SPD?
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