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Neues Deutschland: Krise in der SPD

Berlin (ots)

Auch wenn der Ellbogen jetzt wieder in ein Gerät
zum Unterhaken umfunktioniert wird: Nichts wird mit dem neuesten 
Personalwechsel an der SPD-Parteispitze einfacher. Die 
Demonstrationen der Geschlossenheit sind pure Heuchelei, und allein 
die Vorstellung, wie Andrea Nahles sich bei Franz Müntefering 
unterhakt, für dessen Rücktritt sie 2005 (ungewollt) sorgte, bietet 
ein Bild des Mitleids. Für beide Beteiligte.
»Führungskrise« und »SPD« bilden ein geschlossenes verbales 
System, schon beinahe tautologisch. Gern wird die Führungskrise der 
SPD sogar mühselig ausfindig gemacht, um mit ihr das traurige Bild 
der Partei, ihre Zerrissenheit und Verzagtheit erklären zu können. 
Doch eigentlich ist es genau umgekehrt. Die Führungskrise der SPD ist
zuerst eine Krise der Partei und erst in zweiter Linie eine Krise 
ihrer Führungsfiguren.
Die einst stolze Sozialdemokratie bietet ein klägliches Zerrbild 
ihrer selbst. Nicht, weil sie in fünf Jahren fünf Vorsitzende 
verschlissen hat. Nicht, weil sie ohne Intrigen keinen 
Führungswechsel mehr hinbekommt. Nicht, weil ihre Produktion 
charismatischer Persönlichkeiten hinter dem Bedarf der Wähler und der
Medien sowieso hinterherhinkt. Sondern die SPD ist samt ihrer Führung
Rudersklave auf jener Galeere, auf die sie sich selbst verbannt hat, 
als Gerhard Schröder Steuermann war und behauptete, man könne mit so 
einem Gefährt auch tauchen.
Seit klar ist, dass er damit recht hatte, wie das Absaufen in den 
Umfragen zeigt, herrscht Panik an Bord. Wer möchte da Steuermann 
sein! Zumal vom Kurs der Partei mittlerweile ihr Überleben abzuhängen
droht. Mitläufertum ist der SPD so eigen wie anderen Parteien. Aber 
mit der Agenda-Politik seit 2004 ist der Grundkonsens der Partei 
verlassen worden - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Damit 
konnten sich viele Sozialdemokraten nicht aussöhnen, können es bis 
heute nicht.
Freilich: Der Typ Müntefering kommt besser als der Typ Beck. 
Trotzdem ist das Bedauern der Parteilinken jetzt ungeachtet aller 
Bekenntnisse zur Geschlossenheit unüberhörbar. Beck hat sich über die
Flügel gestellt, zu integrieren versucht, obwohl er den Steinmeiers 
und Steinbrücks durchaus nahe stand - jedenfalls bis zum Wochenende. 
Das hatte zum Beispiel zur Folge, dass das in Hamburg verabschiedete 
Grundsatzprogramm weniger neoliberal ausfällt, als es eigentlich 
gedacht war.
Mit Müntefering und Steinmeier droht wieder ein Kurs hart am Wind.
Claudia Roth sieht mit dem Führungswechsel gar eine neue Ära von 
Rot-Grün heraufziehen - eine verheerende Beziehung für Millionen 
Menschen, wie sich gezeigt hat. Und wieder wird in erster Linie die 
Seele der SPD beschworen. Die SPD liebt den Satz »Die Stimmung ist 
gut« so wie das Wort vom »Unterhaken«. In einer Mail ans ND beklagt 
ein SPD-Ortsvorsitzender: Steinmeier sei ein »Diplomat, der die 
Partei so gut kennt wie wir das Auswärtige Amt«. Doch nicht immer 
hilft eine Extraration Rum, damit die Stimmung steigt. Irgendjemand 
müsste es der SPD mal sagen: Leute, ihr seid auf dem falschen 
Dampfer!

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/29 78 17 22

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