Neues Deutschland: zum Unwort des Jahres
Berlin (ots)
Das pünktliche Paradebeispiel zur Kür des Unworts des Jahres 2005 lieferte ein Autobauer im fernen Detroit: Ford streicht die unglaubliche Zahl von 30 000 Stellen in Nordamerika. Was das für die verbleibenden Beschäftigten bedeutet, ist klar - wesentlich mehr Stress und die Angst, als nächster den Blauen Brief zu bekommen. Welch ein Kontrast: Betriebswirte und Börsianer geraten bei solchen Ereignissen regelmäßig ins Schwärmen ob der zu erwartenden Renditesteigerung. Bisweilen ist die Rede von Entlassungsproduktivität. Ökonomen-Fachidioten verwenden unzählige Worte dieses Kalibers. Das Bemühen der Unwort-Jury, wie schon 2004 der zunehmenden Unterordnung menschlicher Lebenswelten unter die Profit-Knute etwas entgegenzusetzen, ist sicher ehrenwert. Aber ausgerechnet einen Begriff zu wählen, von dem Normalsterbliche bisher nichts gehört haben, dürfte nicht Sinn der Sache sein. Da machen es die Börsianer besser, für die »Heuschrecken« ein Unwort ist. Das eigentliche Problem ist doch, dass Betriebswirte mit ihrer klassenspezifischen Sicht der Dinge längst umfassenden ideologischen Einfluss besitzen. Nicht nur die herrschende Politik und meinungsbildende Medien beten das Einmaleins der »Reformer« nach. Auch die breite Öffentlichkeit und selbst von Entlassungsproduktivität Betroffene halten Kahlschlag à la Ford für kaum vermeidbar. So wird Sprache selbst zur Gefahr.
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