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Mittelbayerische Zeitung: Passiert noch ein Wunder?
Schon bald endet Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU. Dass es bis dahin eine Lösung für alle Beteiligten gibt, scheint aussichtsloser denn je. Von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Er brauche deutlich mehr Zeit für einen gut geregelten Brexit, hat Chefunterhändler Michel Barnier den Gipfelteilnehmern am Mittwochabend in Brüssel erklärt. Der Sondergipfel im November, bei dem der Austrittsvertrag mit Großbritannien festgezurrt und Regeln für eine Übergangsphase festgelegt werden sollten, ist erst einmal gestrichen. Die EU-Kommission wurde aufgefordert, den Notfallplan für den Fall eines chaotischen Austritts Großbritanniens aus der EU weiter auszuarbeiten. Zu beneiden sind Barnier und sein Team nicht um ihre Aufgabe. Selbst wenn es ihnen gelingt, für das unlösbar scheinende Dilemma der Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland eine kreative Regelung zu finden, liegt doch ein Grundgefühl tiefer Vergeblichkeit über all ihren Mühen. Stimmt die britische Regierungschefin einer Lösung zu, die Nordirland dauerhaft mit dem Rest der Insel verbunden hält, werden Mays Koalitionspartner von der nordirischen protestantischen DUP ihr Veto ebenso einlegen wie die Befürworter eines harten Brexit im Regierungs- und im Oppositionslager. Wenn aber das Verhandlungsergebnis die britischen Empfindlichkeiten berücksichtigt, kann das nur auf zwei Wegen geschehen: Entweder kehren Beamte an die nordirische Grenze zurück und stellen sicher, dass eingeführte Waren europäischen Standards entsprechen. Das wäre für all jene inakzeptabel, die den Friedensprozess zwischen Nordirland und der Republik nicht gefährden wollen. Irlands Premierminister Leo Varadkar hat mehrfach deutlich gemacht, dass er in einem solchen Fall sein Veto einlegen wird. Oder die EU toleriert, dass über Großbritannien nach Irland ein Einfallstor entsteht, durch das gefälschte Markenware oder ungetestete Elektrogeräte in den Binnenmarkt und damit in die Hände europäischer Verbraucher gelangen. Das würde den Binnenmarkt in seiner Substanz treffen. Es ist schon jetzt kompliziert genug, bei Exporten aus Drittländern die EU-Standards zu kontrollieren und gegen Produktfälschungen, Mehrwertsteuerbetrug und andere Tricksereien vorzugehen. Für die Mitarbeiter der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF wäre eine offene Grenze zu einem Post-Brexit-Britannien ein Alptraum. In fünfeinhalb Monaten endet Großbritanniens Mitgliedschaft in der Union. Niemand vermag sich vorzustellen, dass in so kurzer Zeit eine für beide Seiten akzeptable Regelung ausgearbeitet werden kann. Zwar betonen sowohl Michel Barnier als auch die britische Premierministerin Theresa May, neunzig Prozent des Austrittsvertrages seien schon vereinbart. Doch die verbleibenden zehn Prozent haben es in sich: Neben der Nordirlandfrage ist der gesamte Bereich Justizzusammenarbeit inklusive der Rolle des Europäischen Gerichtshofs offen. Auch beim kniffligen Thema Geistiges Eigentum sowie bei den Herkunftsbezeichnungen von Lebensmitteln wie Cheddarkäse oder Parmaschinken gibt es noch keine Einigung. Die Übergangsfrist zwischen Austrittsdatum und künftigem Handelsvertrag könne deutlich verlängert werden, hieß es in den letzten Tagen tröstlich aus Brüssel. Doch zum einen werden die Austrittsfans auf der britischen Insel zu verhindern suchen, dass aus dem befristeten Übergang ein Dauerprovisorium wird. Zum anderen kann ein Übergangsvertrag ja erst geschlossen werden, wenn die Details des Austritts sämtlich geklärt sind. Gerade eben sieht es so aus, als gäbe es aus dieser Sackgasse keinen Ausweg mehr. Europas Politiker und Brüssels Juristen waren allerdings schon immer äußerst erfinderisch, wenn es um ausweglos scheinende Situationen ging. Kommt es zum Äußersten, dann werden am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit die Uhren im Verhandlungssaal so lange gestoppt, bis ein Kompromiss gefunden ist.

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