Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Start der rot-grün-roten Sondierungsgespräche Unkalkulierbares Risiko PETER JANSEN, DÜSSELDORF
Bielefeld (ots)
In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob NRW als erstes großes Bundesland im Westen von einer Koalition aus SPD, Grünen und der neuen Linkspartei regiert werden wird. Die roten und grünen Wunschpartner treffen heute zu einer ersten Fühlungnahme mit der Linken zusammen, die sie zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung brauchen. Von Koalitionsverhandlungen sind die drei Parteien noch weit entfernt. Zunächst soll getestet werden, ob Demokratieverständnis und politische Vorstellungen so weit übereinanderpassen, dass eine stabile Zusammenarbeit erfolgversprechend erscheint. Dabei liegen die eigentlichen Hürden nicht bei den inhaltlichen Unterschieden zwischen den drei Parteien. Abschaffung der Studiengebühren, Schulstrukturreform mit längerem gemeinsamen Lernen aller Kinder, Tariftreuegesetz und die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst sind wesentliche Vorhaben, wo Kompromisse vorstellbar sind, den guten Willen aller drei Beteiligten vorausgesetzt. Das Haupthindernis, das einer Koalition entgegensteht, ist die innere Verfassung der Linkspartei, in der die unterschiedlichsten Strömungen und Flügel - von strammen Gewerkschaften über frustrierte ehemalige Sozialdemokraten bis zu den Nachkommen unterschiedlichster kommunistischer Gruppierungen - um die Vorherrschaft ringen. Eine verlässliche breite Mehrheit ist nicht zu erkennen. Niemand weiß, welche Strömung den Ton angibt, ob die Reformwilligen und Kompromissfähigen oder die Anhänger einer Fundamentalopposition. Die Vorstände von Partei und Fraktion strahlen wenig Autorität aus, alle wichtigen Entscheidungen sollen auf Parteitagen und in Mitgliederbefragungen getroffen werden. Der im Wahlkampf von SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft ständig wiederholte Vorwurf, die Linken seien weder regierungs- noch koalitionsfähig, war ja nicht falsch. Unter diesen Umständen ist ein Bündnis mit der Linkspartei ein unkalkulierbares und damit unverantwortbares Risiko. Ein Land mit 18 Millionen Einwohnern, mit einem Haushalt von weit über 50 Milliarden Euro und einem mehr als doppelt so hohen Schuldenberg kann nicht von einer Partei regiert werden, in der nie klar ist, wo gerade die Mehrheiten sind. Die NRW-Linken sind schlicht noch nicht reif fürs Regieren. Für die Politik in NRW muss das nicht Stillstand bedeuten. SPD, Grüne und Linke können mit ihrer Mehrheit einzelne Vorhaben durchsetzen. Wenn sich diese Zusammenarbeit bewährt, kann man die Frage einer Koalition neu durchdenken. Die Alternativen wären eine Große Koalition oder, auch wenn niemand laut darüber reden mag, der verzweifelte Versuch, durch Neuwahlen klare Verhältnisse zu schaffen.
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