BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
BDI-Präsident Keitel: Erfolg Deutschlands und seiner Wirtschaft hängen vom Euro und von der Weiterentwicklung Europas ab
Berlin (ots)
BDI-Präsident Keitel: Erfolg Deutschlands und seiner Wirtschaft hängen vom Euro und von der Weiterentwicklung Europas ab - Neuer Eurovertrag mit unabhängigen Institutionen notwendig - Industrie rettet das Wachstum, sieht aber Gefahr durch Finanzmärkte und Politik - Merkel, Rösler und Papandreou zu Gast beim BDI-Tag der Deutschen Industrie
58/2011
27. September 2011
"Der Erfolg Deutschlands und seiner Wirtschaft hängen entscheidend vom Euro und von der Weiterentwicklung Europas ab." Das erklärte Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), am Dienstag in Berlin auf dem BDI-Tag der Deutschen Industrie. Zugesagt haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel, Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir und der griechische Ministerpräsident George A. Papandreou.
"Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung. Aber es hängen dunkle Gewitterwolken von den Finanzmärkten am Himmel. Wir erwarten, dass die Realwirtschaft davonkommt. Das setzt voraus, dass viele Akteure in den nächsten Wochen und Monaten die richtigen Entscheidungen treffen", betonte Keitel. Als nächstes stehe in zwei Tagen die Abstimmung im Bundestag über das Gesetz zur Erweiterung des europäischen Rettungsschirms an. Keitel appellierte an die Bundestagsabgeordneten, dem Gesetz zuzustimmen: "Ohne den erweiterten europäischen Rettungsschirm drohen unkalkulierbare Folgen für die Europäische Union und die gemeinsame Währung."
"Griechenland ist zum Synonym für eine Krise geworden, die oft fälschlicherweise als Euro-Krise bezeichnet wird. Dabei ist nicht der Euro das Problem. Es ist die öffentliche Verschuldung in vielen Ländern", unterstrich Keitel. Die Krise zeige auch den Vertrauensverlust in Regierungen, die dauerhaft mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. "Wir, die Realwirtschaft, rufen Politik und Finanzmarktakteure auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden", so Keitel.
Die Realwirtschaft sei nicht Auslöser, sondern Betroffener der Verschuldungs- und Finanzkrisen. Die derzeitige Verschuldungskrise gefährde ernsthaft den Fortbestand des Euro-Raums und der EU. Für Deutschland und die deutsche Industrie würde ein Ende der Währungsunion einen immensen Schaden bedeuten - nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem politisch.
Europa habe ökonomisch und politisch nur gemeinsam eine Chance, sagte der BDI-Präsident: "Wir müssen den Weg zur wirtschaftlichen und politischen Einheit jetzt bewusst nach vorne gehen, selbst wenn das viel Geld kostet. Aber es ist eine Investition in die Zukunft. Deshalb sollten wir mit aller Kraft daran arbeiten, dass diese Investition ein Erfolg wird."
Zentral sei, die Eurozone weiterzuentwickeln: "Dabei geht es weniger um neue Regelungen, sondern vielmehr um deren konsequente Einhaltung. Jetzt muss es darum gehen, Strukturen und unabhängige Institutionen zu schaffen, die die konsequente Einhaltung der Regeln garantieren."
Der BDI schlägt vor, die Rettungsschirme zu einem politisch unabhängigen Europäischen Fiskalfonds weiterzuentwickeln. "Der Fonds soll die maßgebliche Instanz bei der Durchsetzung haushaltspolitischer Disziplin sein. Er soll nach klaren Regeln Mitgliedern der Eurozone Kredite gewähren - gegen Sicherheiten und strikte wirtschaftspolitische Auflagen", sagte der BDI-Präsident. Es gebe eine klare Aufgabenteilung: Die Notenbank sichere die Geldwertstabilität, der Fonds sichere die Stabilität in der Finanzpolitik.
Unabdingbar gehöre ein geordnetes Insolvenzplanverfahren für Euro-Mitgliedstaaten als ultima ratio dazu. "Nur so sind Maßnahmen zur Einhaltung der Disziplin glaubhaft und Katastrophen im Notfall vermeidbar", erklärte Keitel.
Zur Diskussion um stabile Finanzen gehöre die Realwirtschaft. "Denn die Realwirtschaft ist es, die die Schuldentragfähigkeit erarbeiten muss. Wir spekulieren nicht, wir produzieren - und das höchst erfolgreich. Deshalb irritiert uns die Idee einer tatsächlichen Wirtschaftsregierung. Sie unterstellt, dass man uns umfassend regulieren und steuern muss", kritisierte Keitel.
Die deutsche Industrie habe die dramatische Finanz- und Wirtschaftskrise rascher überwunden, als es irgendjemand erwartet hätte. Ergebnis seien 3,7 Prozent BIP-Wachstum im vorigen und noch einmal rund drei Prozent in diesem Jahr. Keitel: "Die Effekte dieses Wachstums auf unser Land sind spürbar und gut: 41 Millionen Menschen sind derzeit in Arbeit. Es gibt weniger als drei Millionen Arbeitslose - das entlastet die Bundesagentur für Arbeit. Die Steuereinnahmen des Bundes sind gegenüber 2001 um rund 20 Prozent gestiegen - das schafft Spielraum für die Konsolidierung. Im vergangenen Jahr kam das Wachstum zu zwei Dritteln aus der deutschen Industrie. Die Realwirtschaft hat keine Krise, und niemand sollte sie herbeireden."
Keitel stellte fest, dass es in der Unternehmerschaft eine sehr deutlich spürbare Enttäuschung gebe: "Die politischen Realitäten sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben." Der BDI-Präsident mahnte das versprochene und längst überfällige steuerpolitische Gesamtkonzept an, das auf einen klaren Investitions- und Wachstumskurs gerichtet sein müsse. "Vor Entlastungen stehen klare Strukturen und ein deutlich reduziertes Maß an Bürokratie. Die Politik muss die gescheiterte Reform der Gewerbesteuer dringend wieder anpacken."
Die Energiewende bezeichnete Keitel als ein gigantisches Projekt mit ungewissem Ausgang. "Solch ein komplexes Vorhaben braucht Möglichkeiten zum Nachjustieren - auch auf der Zeitschiene. Denn es geht um fundamentale Themen wie Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit, Klima- und Umweltfreundlichkeit. Deshalb ist ein politisch unabhängiger und sachverständiger Monitoring-Prozess für die Industrie zwingender Bestandteil der Energiewende", betonte Keitel. Er müsse gesetzlich verankert sein, regelmäßig und nach klaren Kriterien stattfinden.
Mit Sorge sieht Keitel, dass die Akzeptanz wichtiger Investitionsprojekte gefährlich schwinde. "Wir dürfen uns von der aktuell guten Konjunktur nicht täuschen lassen. Wir brauchen dringend mehr Investitionen in unser Land. Die Politik muss die Investitionsbedingungen verbessern, damit unser Wirtschaftswachstum sich verstetigt." Der BDI habe in seiner Investitionsagenda umfassende Vorschläge zu mehr Investitionen in Deutschland gemacht.
Der BDI hat in einem Thesenpapier "Ein neuer Vertrag für den Euro - zwölf Thesen aus einer industriellen Perspektive" konstruktive Vorschläge für die Weiterentwicklung des Euro-Raums gemacht. Mit den Thesen bringt der BDI sich aktiv und substanziell in die aktuelle politische Debatte um die Zukunft des Euros ein. Kerngedanken sind das Plädoyer für eine grundlegende Änderung des vertraglichen Regelwerkes und die Einrichtung eines weitgehend politisch unabhängigen Europäischen Fiskalfonds. http://www.bdi.eu/download_content/Ein_neuer_Vertrag_fuer_den_Euro.pdf
Zum BDI-Tag der Deutschen Industrie kommen mehr als 1000 Gäste aus Wirtschaft und Politik in das Berliner Kongresszentrum BCC. Als Gastredner haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, der griechische Ministerpräsident George A. Papandreou sowie die Parteivorsitzenden Philipp Rösler (FDP), Sigmar Gabriel (SPD) und Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) zugesagt. Der BDI-Tag der Deutschen Industrie steht in diesem Jahr unter dem Motto "In Deutschland investieren". Partner des BDI-Tags der deutschen Industrie ist Deloitte. Aktuelles zum BDI-Tag der Deutschen Industrie online unter: http://www.bdi.eu/TDI2011.htm
Der BDI hat investitionsagenda.de gestartet, damit wieder mehr in Deutschlands Zukunft investiert wird. Nur mehr Investitionen schaffen neues Wachstum, neue Beschäftigung und neue Aufstiegschancen. Mehr auf www.investitionsagenda.de.
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