Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum vereitelten Amoklauf an einer Kölner Schule
Bielefeld (ots)
»Der Schüler war absolut unauffällig.« Die Kölner Kripo brachte das Problem gestern auf den Punkt. Polizei wie Pädagogen können die Umstände des gottlob »nur« geplanten Amoklaufs nicht erklären. Was in dem Kopf des 17-Jährigen vorging, blieb verworren - obwohl die Behörden frühzeitig und mustergültig eingeschaltet wurden. Großes Lob ist den Schülern zu zollen, die ihre Lehrer auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam machten. Nur dadurch kam es überhaupt zur Befragung des jungen Mannes durch die Polizei. Katastrophen verhindern, obwohl ein drohender Ausbruch nicht erkannt werden kann, ist unmöglich. Dennoch muss alles unternommen werden, Schlimmeres zu verhindern. Der Selbstmord des 17-Jährigen unmittelbar nach der Befragung belegt zweierlei. Das Verhalten des Täters war unkalkulierbar, und er meinte es todernst. Erst die anschließende Befragung des mutmaßlichen Komplizen im Alter von 18 Jahren legte die Einzelheiten offen. Anfangs sollten Molotow-Cocktails und Rohrbomben gebaut werden. Todeslisten wurden geschrieben. Am Ende wurde wieder alles abgeblasen. Allerdings. Für wie lange? Jederzeit hätten die zwei wieder den Kurs ändern können. Der Politik blieb gestern nichts anderes übrig, als eine große Zahl von Maßnahmen zur Vorbeugung in Erinnerung zu rufen. Insbesondere wurde dabei auf den in diesen Wochen an die Schulen gehenden Notfall-Ordner verwiesen. Für Schulministerin Barbara Sommer gehören zur Vorsorge aber auch so allgemeine und doch wichtige Dinge wie individuelle Förderung und weniger Sitzenbleiben. Weiter betonte Sommer die gezielte Auswahl von »wirksamen« Präventionsprogrammen sowie Fortbildungs-, Beratungs- und Informationsangebote der Fachbehörden. Aufgelistet wurden zudem die Zusammenarbeit Schule-Polizei zur Verhütung von Jugendkriminalität, die Einrichtung von Schulschiedsstellen sowie die Bildung von Kriseninterventionsteams aus Schulpsychologen. Das Anliegen ist erkennbar, die Furcht, dass selbst das alles nicht reichen könnte, aber auch. Nur wenn die am Schulleben Beteiligten mit offenen Augen aufeinander achten, gibt es eine Chance, Schülern zu helfen, die sich ausgestoßen fühlen. Insofern ist der fast schon verschlissene, weil tausendmal zitierte Lehrsatz der Schulpolitik eben doch richtig: »Es darf keiner unterwegs verloren gehen.« »Jeden Schüler dort abholen, wo er steht«, lautete der im Kern gleiche Satz in Rot-Grün bei Sommers Vorgängerin Ute Schäfer von der SPD. Sensibel und angemessen muss reagiert werden. Die früher übliche Neigung zur Vertuschung, »um den Ruf der Schule zu wahren«, sollte weitgehend überwunden sein. Allen anderen Verantwortlichen hat es die Ministerin gestern noch einmal ins Stammbuch geschrieben: »Eine Amok-Drohung ist de facto die Androhung einer Straftat gegen das Leben - und die kann man nicht unter den Tisch kehren.«
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