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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Herbstgutachten

Bielefeld (ots)

Wahlkampf ist wie Frühling. Mit Schmetterlingen
im Bauch versprechen die Politiker den Wählern alle Sterne vom 
Himmel. Schon kurz nach der Wahl sieht die Welt meistens anders aus, 
viel herbstlicher. Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich die 
Parteien beim Aufsetzen des Ehe- bzw. Koalitionsvertrages noch vom 
Wunschdenken leiten lassen. Man hängt eben als Politiker an seinen 
Versprechen von gestern.
 Gut, dass es in dieser Situation die Sachverständigen und 
Wirtschaftsinstitute gibt! Ihre Botschaft ist klar und im Übrigen 
leicht nachzurechnen: Wer an den Einnahmen kürzt, indem er 
Steuererleichterungen beschließt, muss gleichzeitig auch an die 
Ausgaben ran. Ansonsten wird die Rechnung schon für diese und erst 
recht für nächste Generation sehr, sehr teuer.
Dies bedeutet ausdrücklich nicht, dass der schwarz-gelben Koalition 
die Hände gebunden sind. Die Sachverständigen weisen zu Recht darauf 
hin, dass machbare Vorschläge für die Kürzung staatlicher Ausgaben 
längst auf dem Tisch liegen. Die von Roland Koch (CDU) und Peer 
Steinbrück (SPD) erarbeitete Streichliste wartet nur darauf, aus der 
Schublade herausgeholt zu werden, in der sie vor sechs Jahren 
abgelegt worden ist.
Auf zwei Dinge sollten Union und FDP nicht bauen: auf eine bisher 
unbekannte Steuerquelle, wie sie im Jahr 2000 die Versteigerung der 
UMTS-Lizenzen darstellte, und darauf, dass die wieder anspringende 
Konjunktur schon genug Steuergeld in die Staatskasse spülen werde. 
Das Gegenteil könnte eintreffen: Das, was die fürs kommende Jahr 
prognostizierten 1,2 Prozent Wachstum mehr an Mehrwertsteuer 
einbringen werden, wird vermutlich von den sinkenden Steuereinnahmen 
als Folge steigender Arbeitslosigkeit und weggebrochener 
Unternehmensgewinne übertroffen werden. Die Konjunktur wird den 
Spielraum der Koalition vorerst nicht vergrößern. Dass selbst der 
kleine Aufschwung von 1,2 Prozent wieder in Gefahr geraten kann, 
zeigt sich an dem Ratschlag der Experten, mit dem Sparprogramm erst 
2011 zu beginnen.
Es gibt nichts zu verteilen, nicht nach dieser Krise. Möglich bleibt 
natürlich eine Umverteilung. Doch auch dabei ist Vorsicht angeraten: 
Jede Regierung tut gut daran, diejenigen, die die Rettungspakete für 
Banken und Industrieunternehmen bezahlen, nicht zusätzlich zu 
bestrafen. Bleibt die immer wieder versprochene, aber niemals 
eingehaltene Vereinfachung des Steuersystems. Wer diese 
Herkulesaufgabe stemmt, kann sich des anhaltenden Danks der Wähler 
sicher sein.
Es führt kein Weg daran vorbei: Wer verteilen will, muss sparen. 
Union und FDP haben noch eine Menge vor sich. Die Klausur am 
kommenden Wochenende kann da nur den Grundstock legen. Es ist eben 
schon etwas Anderes, ob man mit Schmetterlingen im Bauch 
Wahlprogramme schreibt oder Verantwortung für Staat und Gesellschaft 
übernimmt.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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