Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Syrien
Bielefeld (ots)
Wladimir Putin mimt den Friedenszar. In einem Beitrag für die »New York Times« schwingt er sich zum Verteidiger der internationalen Rechtsordnung, Makler einer diplomatischen Lösung der Syrien-Krise und Warner vor den Gefahren amerikanischer Einzigartigkeit auf. Wer nur oberflächlich den Entwicklungen in Russland und der Rolle Moskaus in dem blutigen Bürgerkrieg folgt, weiß wie zynisch Putins Einlassungen sind. Sei es von der Drangsalierung der eigenen Opposition bis hin zur Waffenbrüderschaft mit dem Massenmörder Bashar al-Assad. Dennoch landet der russische Präsident einen cleveren PR-Coup. Wie schon zuvor bei der Asylgewährung Edward Snowdens greift der frühere KGB-Mann geschickt verbreitete Stimmungen auf. Zehn Jahre nach der Invasion des Irak und dem nachfolgenden Desaster haben die Amerikaner nicht das geringste Interesse an neuen militärischen Abenteuern. Von linken Pazifisten bis rechten Liberalen reicht die Phalanx, die im Kongress nach Diplomatie in der Syrien-Krise ruft. Erstaunlich wie sich die kriegslüsterne Kraftmeierei der Bush-Jahre in bedenkenschwere Zurückhaltung verwandelte, die Friedensnobelpreisträger Barack Obama nun als Falken erscheinen lässt. Putin hat das früher erkannt als viele Amerikaner selbst und baute dem bedrängten Präsidenten geschickt eine goldene Brücke. Angesichts einer sicheren Niederlage auf dem Capitol Hill blieb Obama gar nichts anderes übrig als darüber zu schreiten. Er hätte sonst vor der fatalen Wahl gestanden, seine Präsidentschaft oder die Glaubwürdigkeit der Supermacht aufs Spiel setzen zu müssen. Das bleibt ihm erspart. Der Preis ist eine Aufwertung des russischen Präsidenten, den Obama eben noch mit Missachtung strafte, als er einen geplanten Gipfel in Moskau wegen der Snowden-Kontroverse platzen ließ. Putin gefällt sich in der Rolle des Weltpolitikers, an dem in der Syrienkrise nun kein Weg mehr vorbei führt. Er hat die USA vorläufig daran gehindert, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu umgehen. Und er sicherte seinem langjährigem Schützling Bashar al-Assad in Damaskus das Überleben. Keine Kleinigkeit angesichts der wiederholten Forderung Obamas, der Diktator müsse gehen. Ganz nebenbei hat Putin einen Grund, Syrien die Chemiewaffen wegzunehmen, die auch russische Interessen gefährden. Die Rückkehr der Diplomatie bringt aber auch Obama Vorteile, der sich mit seiner Ad-hoc-Politik in eine Sackgasse manövriert hatte. In den USA verschafft er sich Zeit, während er international Putin in der Pflicht nehmen kann. Dessen Reputation steht nun auf dem Spiel, wenn Assad nicht spurt. Der russische Präsident entpuppte sich als Scheinriese, der nicht einmal einen abhängigen Despoten auf Kurs bringen kann. Das gibt den Amerikanern einen Hebel, den sie bei den Verhandlungen in Genf und im Weltsicherheitsrat ansetzen können.
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