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"Report Mainz": Bundesamt für Verfassungsschutz: Islamistische Propaganda gegen queere Lebensweise nimmt zu

Mainz (ots)

Neue Umfrage zeigt: Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit wird besonders von Musliminnen und Muslimen stark abgelehnt

Auf Anfrage des ARD Politikmagazins "Report Mainz" bestätigt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine immer stärkere Instrumentalisierung queerpolitischer Themen wie Homosexualität und Transidentität durch islamistische Gruppierungen. "Das Feindbild LGBTQI+ weckt Emotionen, mobilisiert und soll zur Rückbesinnung auf eine eigene, 'islamisch' konstruierte Identität in Abgrenzung zur als 'verkommen' diffamierten liberalen, westlichen Gesellschaft dienen", teilte die Behörde auf Anfrage von "Report Mainz" mit. Das Politikmagazin sendet am Dienstag, 30. Mai 2023, die Dokumentation "Verbotene Liebe? Queere Muslime - bedroht und beschimpft" (um 21:45 Uhr im Ersten, ab 20 Uhr in der ARD Mediathek).

In der Stellungnahme des BfV heißt es weiter, queere Menschen würden von den Gruppierungen unter anderem als "krank" oder "widernatürlich" diffamiert. Dies verstoße gegen die Menschenwürde. "Derartige Propaganda [richtet sich] gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung". Die Behörde nennt unter anderem die Gruppe "Muslim interaktiv", die der so genannten Hizb-ut-Tahrir ("Befreiungspartei") nahestehe. Diese war 2003 in Deutschland offiziell als islamistisch-extremistische Organisation verboten worden. "Muslim interaktiv" wurde nach Behördenangaben vor drei Jahren gegründet und wird in Berichten mehrerer Verfassungsschutzämter als islamistisch eingestuft. Die Gruppe betreibt unter anderem einen Kanal auf TikTok und hat dort mehr als 90.000 Follower.

Islamisten agitieren gegen sexuelle Vielfalt

In einem von "Muslim interaktiv" veröffentlichten Internetvideo heißt es etwa: "Jedoch muss eins gesagt sein [...], dass das Ausleben von LGBTQ im Islam nicht erlaubt ist und niemals sein wird. Denn der Islam ordnet sich dem Liberalismus nicht unter, nichts wird die Gesetze Allahs verändern." Die Politikwissenschaftlerin Gülden Hennemann, die im bayerischen Justizvollzug eine Einheit zur Extremismusbekämpfung leitet, sagte dazu im Interview mit "Report Mainz": "Das ist eine sehr klare Aussage und sehr antidemokratisch. Wer solche Aussagen tätigt, wer solche Aussagen vertritt, unabhängig von der Frage, ob mit Gewalt oder ohne Gewalt, ist für mich eindeutig gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und passt tatsächlich auch nicht in unsere Gesellschaft." Auf Anfrage zu den konkreten Vorwürfen verwies "Muslim Interaktiv" lediglich auf ein allgemeines Positionspapier. Dort heißt es unter anderem: "All unsere Ideen und Wertvorstellungen entspringen unserer islamischen Weltanschauung und sind unverhandelbar."

Betroffene berichten über Ausgrenzung und Drohungen

In der "Report"-Dokumentation kommen mehrere Betroffene zu Wort, die über Probleme in ihren Familien, über die Gefahr der Ausgrenzung in muslimischen Communities bis hin zu konkreten Gewaltandrohungen berichten. So schildert ein Betroffener, er sei von Mitgliedern seiner Familie mit dem Tod bedroht worden, nachdem er eine Beziehung mit einem Mann eingegangen und dies bekannt geworden sei. Im Interview sagte er: "Es wurde immer im Namen der Religion so gehandelt. Alles wurde damit begründet: schwul. Damit hat man angeblich nach islamischem Recht, das Recht, alles zu machen."

Umfrage zeigt: Unter Muslimen stärkere Abneigung gegen Homosexualität

Homosexualität und auch Transgeschlechtlichkeit werden von vielen Musliminnen und Muslimen unter Berufung auf islamische Quellen wie den Koran als Sünde betrachtet. Das schlägt sich auch in bisher unveröffentlichten Umfrage-Ergebnissen im Rahmen des Forschungsprojekts "Radikaler Islam - radikaler Anti-islam" (RIRA) nieder. An dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt nehmen Forscherinnen und Forscher mehrerer deutscher Hochschulen teil. Laut den Zahlen, die "Report Mainz" exklusiv vorab vorliegen, stimmen 43 Prozent aller Befragten der Aussage zu: "Ich finde es ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen". Bei Musliminnen und Muslimen liegt der Anteil bei 65 Prozent. Die Aussage "Transsexualität ist etwas völlig Normales" verneinen 49 Prozent aller Befragten. Bei den befragten Musliminnen und Muslimen sind es 71 Prozent.

Die Ergebnisse stützen sich auf zwei Umfragen aus dem Jahr 2022: Eine repräsentative Umfrage unter rund 2.500 Personen und eine spezielle, nicht-repräsentative Befragung von rund 600 Musliminnen und Muslimen. Der Leipziger Religionssoziologe Prof. Gert Pickel, der sich in dem RIRA-Projekt mit der Relevanz von Religion für Radikalisierungsprozesse befasst und die Zahlen ausgewertet hat, hält die Datenbasis für aussagekräftig. Im Unterschied zu oft üblichen Telefoninterviews sei die Befragung von Muslimminen und Muslimen durch die so genannte face-to-face Methode durchgeführt worden. Insgesamt sei der Vergleich zur Gesamtbevölkerung "belastbar".

MdB Kuhle (FDP): Moscheegemeinden müssen Homophobie bekämpfen

Der FDP-Bundestagabgeordnete Konstantin Kuhle, der selbst schwul ist und sich als Kuratoriumsmitglied des Vereins "Islamkolleg Deutschland" für die theologische Ausbildung von Personal in Moscheegemeinden in Deutschland engagiert, forderte im Interview eine stärkere innermuslimische Diskussion - auch vor dem Hintergrund einzelner Gewalttaten durch Muslime, wie etwa den Angriff auf ein schwules Ehepaar in Dresden 2020, bei dem ein Mann starb. "Moscheegemeinden und auch die muslimischen Verbände in Deutschland [sind] dazu aufgerufen, Homophobie, Transfeindlichkeit und andere Merkmale gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv zu bekämpfen. [...] Wir werden es nicht schaffen, gegen Homophobie aus muslimischen Milieus vorzugehen, indem Nichtmuslime Muslimen erzählen, wie schlimm Homophobie ist," sagte Kuhle.

Kaum Resonanz von muslimischen Verbänden auf "Report Mainz"-Umfrage

"Report Mainz" hat zu dieser Thematik alle muslimischen Verbände in Deutschland befragt, die aktuell oder künftig mit einzelnen Landesregierungen an der Gestaltung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts an Schulen mitwirken. Den Recherchen zufolge handelt es sich um 23 Verbände in sieben Bundesländern. Auf die Frage, ob diese Verbände Projekte gegen Homo- und Transfeindlichkeit anbieten oder planen und ob Themen wie sexuelle Vielfalt im Unterricht diskutiert werden sollen, haben lediglich zwei Verbände in Nordrhein-Westfalen geantwortet. Die "Islamische Religionsgemeinschaft NRW (IRG NRW)" und die "Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD)" teilten in einer gemeinsamen Stellungnahme mit: "Im Rahmen von Weiterbildungen unserer religionspädagogischen Fachkräfte in den Moscheen und Imamen werden auch diese Themen angesprochen. Dabei wird vermittelt, dass die gemischtgeschlechtliche Ehe im Islam akzeptiert wird, gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehen nicht. Abweichenden Neigungen soll nicht mit Feindseligkeit begegnet werden."

Der Theologe Prof. Serdar Kurnaz, der an der Humboldt-Universität Berlin islamisches Recht lehrt und Homosexualität oder eine Transidentität grundsätzlich für vereinbar mit dem Islam hält, kommentiert die Antwort der beiden Verbände im Interview so: "Es ist ein bisschen frustrierend, dass man auf fertige Lösungen zurückgreift und nur daran denkt, wie eine Meinung in der muslimischen Community ankommt und dann versucht, das Minimum dessen noch zu gewährleisten, was gesellschaftsfähig wäre. Das finde ich nicht gewinnbringend für eine offene Diskussion."

Zitate gegen Quellenangabe frei.

Informationen auch auf www.reportmainz.de

Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz" an, Tel.: 06131 929-33351.

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Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel.: 06131 / 929-32755, sibylle.schreckenberger@swr.de

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