Stübgen/Kaster: Union positioniert sich zu aktuellen Themen der EU
Berlin (ots)
Zu den Ergebnissen der Klausurtagung der Arbeitsgruppe Angelegenheiten der Europäischen Union erklären der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Michael Stübgen MdB und der parlamentarische Geschäftsführer Bernhard Kaster MdB, in dessen Wahlkreis Trier die Tagung stattgefunden hat:
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt das Ziel der französischen EU-Ratspräsidentschaft, dass der Vertrag von Lissabon in allen EU-Mitgliedstaaten zeitnah umgesetzt wird. Sie unterstützt, dass die Wahlen zum neuen Europäischen Parlament am 7. Juni 2009 nach den Regelungen des Vertrags von Lissabon abgehalten werden. Europa braucht den Ver¬trag, um demokratischer und handlungsfähiger zu werden. Nach dem Scheitern der Volksabstimmung in Irland kön¬nen wir dieses Ziel allerdings nur gemeinsam mit den Iren erreichen. Der irische Ministerpräsident muss beim Euro¬päischen Rat im Oktober 2008 den Staats- und Regie¬rungschefs einen ausgewogenen und umsetzbaren Vor¬schlag vorlegen, wie auch in Irland der Vertrag in Kraft tre¬ten kann. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hofft, dass auch in Deutschland das Ratifizierungsverfahren so schnell wie möglich abgeschlossen werden kann, indem das Bundesverfassungsgericht die gegen den Vertrag anhängigen Beschwerden alsbald abweist.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt den von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vorgelegten europäischen Einwanderungs- und Asylpakt. Der Pakt macht deutlich, dass die EU nicht zur "Festung Europa" wird, son¬dern für eine gesteuerte Migration eintritt. Da illegale Mi¬gration im Alleingang nicht wirksam bekämpft werden kann, will die EU zu Recht gemeinsam hiergegen vorgehen. Die legale Migration soll in der Zuständigkeit der Mitglied¬staaten bleiben. Dies ist sehr wichtig, da die Integration von Migranten sinnvoll nur durch Regelungen der Mitglied¬staaten, die nationale Bedürfnisse und Besonderheiten berücksichtigen können, erfolgen kann. Zudem können nur die Mitgliedstaaten selbst sinnvoll entscheiden, ob sie gegebenenfalls auch Quoten für die legale Einwanderung festlegen möchten.
Die EU-Kommission hat am 2. Juli 2008 ein umfangreiches Sozialpaket mit vier Richtlinienvorschlägen, fünf Mitteilungen, einem Grünbuch und verschiedenen Arbeitsdoku¬menten veröffentlicht. Insgesamt 19 Initiativen in den Be¬reichen Beschäftigung und Soziales, Bildung und Jugend, Gesundheit, Informationsgesellschaft und Wirtschaft sollen dazu beitragen, die EU sozialer zu gestalten. Die wichtig-sten Bestandteile des Sozialpaketes sind ein Richt¬linienvorschlag zur Antidiskriminierung, ein Vorschlag zur Änderung der europäischen Betriebsräterichtlinie, zur Pa¬tientenmobilität sowie zur Verbesserung der Methode der offenen Koordinierung.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag unterstützt das Bemühen der EU-Kommission in dem Ziel, die EU sozialer zu gestalten, verweist jedoch nachdrücklich darauf, dass die gesetzgeberischen Aufgaben in der europäischen Sozialpolitik primär in die Zuständigkeit der Mit¬gliedstaaten fallen. Dies gilt auch für den neuen Richtlinienvorschlag zur Antidiskriminierung, mit dem die Kommission den Rechtsrahmen der europäischen Antidiskriminierungsgesetzgebung vervollständigen und auf die Bereiche außerhalb von Beschäftigung und Beruf aus-dehnen will. Die CDU/CSU-Fraktion anerkennt, dass es hierfür mit Artikel 13 zwar eine Rechtsgrundlage im EG-Vertrag gibt, sieht in dem Richtlinienvorschlag jedoch zugleich eine Missachtung des Subsidiaritätsprinzips, weil die Nichtdiskriminierung außerhalb von Beruf und Beschäfti¬gung bürgernäher und besser auf der Ebene der Mitglied¬staaten erreicht werden kann.
Die EU-Kommission ist bis¬lang die Begründung schuldig geblieben, warum das Ziel der Nichtdiskriminierung durch Maßnahmen der Mitglied¬staaten im Rahmen ihrer Verfassungsordnung weniger gut erreicht wird als durch eine europäische Richtlinie. Die im Subsidiaritätsprotokoll des EG-Vertrages verankerten Leitli¬nien zur Prüfung des Sachverhalts bleiben bei der Kommis¬sion ausgeblendet. Eine ausreichende Evaluierung der bis¬herigen Antidiskriminierungsgesetzgebung der EU hat bis¬lang nicht stattgefunden. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch noch gegen 14 Mitgliedstaaten Vertragsverlet¬zungsverfahren beim EUGH an¬hängig sind, deren Ausgang vor der Vorlage neuer Geset¬zesvorschläge abgewartet werden sollte.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag unterstützt die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu der neuen Antidiskriminierungsrichtlinie und erwartet, dass sie ihre Position auch in den weiteren Verhandlungen in Brüssel deutlich macht. Mit dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa sowie Malta und Zypern im Mai 2004 und zum 01.01.2007 von Bulgarien und Rumänien hat die Europäische Union ihre fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Am 3. Oktober 2005 wurden neue Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei eröffnet. Parallel dazu stellte die Europäische Kommission die Heranführung des Westlichen Balkans an die Europäische Union in den Vordergrund ihrer Politik. Die zentrale Aufgabe der europäischen Erweiterungspolitik im Jahre 2008 besteht darin, das bisher Erreichte zu konsolidieren, die in den Kandidatenländern begonnenen Reformen unumkehrbar zu machen und im Rahmen der Beitrittspartnerschaften sowie der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu wirtschaftlicher Entwicklung, Zusammenarbeit und gutnachbarschaftlichen Beziehungen beizutragen. Die Staaten des Westlichen Balkan haben und behalten eine Perspektive auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den potentiellen Beitrittskandidaten auf dem westlichen Balkan sind ein mit Konditionalitäten ausgestattetes Instrument, das den beitrittswilligen Ländern ermöglicht, durch individuelle Reformschritte das Tempo der Annäherung an die Europäische Union selbst zu bestimmen. Über den Beitritt muss allein die Beitrittsreife der Kandidatenländer und die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union entscheiden - die In Aussicht-Stellung fester Beitrittstermine wie im Falle von Bulgarien und Rumänien hat sich als falsch erwiesen. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt auch für die Zukunft verbundene Beitrittsverträge für mehrere Kandidatenländer ab, wenn diese nicht aus einem weitgehend identischen Vorbereitungsstand begründet werden können. Jedes Beitrittsland verdient eine individuelle Beurteilung seiner Beitrittsreife. Nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens sollte die Europäische Union erst dann wieder neue Mitglieder aufnehmen, wenn sich die EU-Staaten einen neuen Vertrag ratifiziert bzw. in Kraft gesetzt haben.
Im Rahmen des Themas der Europäischen Nachbarschaftspolitik hat sich die AG Europa auch mit der Lage im Kaukasus und dem Einmarsch russischer Truppen nach Georgien befasst. Die Invasion Russlands in georgisches Kernland am Wochenende vom 09. bis 10. August 2008 und die Anerkennung der Unabhängigkeit beider Regionen durch den russischen Präsidenten bedeutet aus der Sicht der Arbeitsgruppe eine gravierende Verletzung des Völkerrechts und der territorialen Grenzen Georgiens. Eine Gleichsetzung des Einmarsches mit der Intervention von NATO-Truppen im Kosovo ist inakzeptabel, weil die Loslösung des Kosovo von Serbien eine Folge der Aufhebung des Autonomiestatus durch den damaligen serbischen Präsidenten Milosevic mit nachfolgender Unterdrückung und Völkermord war und internationale Verhandlungen über einen von den Vereinten Nationen vermittelten Status der Autonomie an Serbien und Russland scheiterte. Russland hat die Loslösung des Kosovo bis heute als völkerrechtswidrig abgelehnt, es kann deshalb seine Militäraktion in Georgien auch nicht als Parallele zu der Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien und der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch westliche und EU-Staaten rechtfertigen.
Die wichtigste Voraussetzung einer Lösung der Konflikte im Kaukasus ist der vollständige Rückzug der russischen Truppen aus Georgien, so wie es das von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vermittelte Waffenstillstandsabkommen verlangt. Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt, dass die außerordentliche Tagung des Europäischen Rates vom 1. September beschlossen hat, die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland so lange auszusetzen bis sich die russischen Streitkräfte vollständig auf die Positionen vor dem 7. August 2008 zurückgezogen haben. Jetzt muss die Hilfe für Georgien, einschließlich der vorgeschlagenen OSZE-Beobachtermission auch in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetiens konkret werden. Die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union muss alle verfügbaren Instrumente nutzen um die Beziehungen zu Georgien politisch und wirtschaftlich zu vertiefen und durch eine "östliche Partnerschaft" Vertrauensbildung, Stabilität und Zusammenarbeit in der Region zu fördern. Angesichts der engen Vernetzung muss gleichzeitig der politische Dialog der Europäischen Union mit Russland erhalten bleiben. Über die derzeitige Krise hinaus ist es notwendig, die gesamte Sicherheitsstruktur unter Einbeziehung der wechselseitigen Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen Russland und Europa unter Einbindung der Vereinigten Staaten auf breiter Basis zu verhandeln.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die klare Haltung des Europäischen Rates zum Recht eines jeden europäischen Staates, unter Achtung des Völkerrechts und der friedlichen Zusammenarbeit seine Bündnisse frei zu bestimmen. Dies gilt auch für den Wunsch Georgiens, Mitglied in der NATO zu werden und die noch engere Anbindung an die Europäische Union zu suchen. Georgien muss jedoch zugleich im eigenen Land die Voraussetzungen dafür schaffen, indem es die Standards von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfüllt, die von einem NATO-Mitglied erwartet werden müssen.
Die Arbeitsgruppe Angelegenheiten der Europäischen Union hat im Rahmen ihrer Klausurtagung u.a. den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren Peter Altmaier sowie hochrangige Vertreter des EuGH und der luxemburgischen "Chrëschtlech Sozial Vollékspartei" (CSV) getroffen. Mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Werner Langen MdEP, wurden aktuelle Gesetzgebungsvorhaben im Europäischen Parlament diskutiert.
Höhepunkt der Klausurtagung wird ein Meinungsaustausch mit dem Luxemburgischen Premierminister Jean Claude Juncker über den Vertrag von Lissabon und die Lage in Georgien bilden.
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