Schockenhoff : Chodorkowski-Prozess Testfall für Rechtsstaatlichkeit Russlands
Berlin (ots)
Anlässlich seiner Beobachtung des Prozesses gegen den ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowski erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDUCSU/-Bundestagsfraktion Dr. Andreas Schockenhoff MdB:
Ich habe eben den Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen Partner, Platon Lebedew, beobachtet. Zuvor habe ich mich von dem Leiter des Anwälteteams, Herrn Wadim Kljuwgant, über den Verlauf des Prozesses unterrichten lassen.
Anlass dafür, mir persönlich ein Bild über das Verfahren gegen Herrn Chodorkowski und Herrn Lebedew zu machen, ist die große Sorge, die in Deutschland und insbesondere im Deutschen Bundestag besteht, dass dieser Prozess nicht den rechtsstaatlichen Bedingungen entspricht, zu denen sich Russland verpflichtet hat. Ebenso besteht die Sorge, dass auf das Verfahren politisch Einfluss genommen und der Prozess für politische Ziele genutzt wird.
Präsident Medwedew hat erklärt, dass er in seinem Land mehr Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit erreichen und den "Rechtsnihilismus" bekämpfen will. Dieses Verfahren ist ein Testfall für die von ihm angemahnte Glaubwürdigkeit der russischen Justiz. Es ist auch ein Testfall für die Einhaltung der Standards des Europarats, zu denen Russland sich verpflichtet hat.
Mit meinem Besuch wollte ich auch zum Ausdruck bringen, dass dieser Prozess für uns große politische Bedeutung hat - sowohl mit Blick auf den konkreten Fall, als auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Prozesses für die weitere Entwicklung Russlands.
Wenn Russland sein Ziel erreichen möchte, ein weltwirtschaftlich starker Staat zu werden, und das liegt in unserem Interesse, dann müssen auch Investoren hier auf Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit bauen können. Dann müssen vor allem die Menschen hier in Russland, die diese wirtschaftliche Modernisierung tragen und voranbringen sollen, das Gefühl von Rechtssicherheit haben. Die wirtschaftliche Modernisierung Russlands kann ohne eine gesellschaftliche Modernisierung nicht gelingen. Dabei ist die Frage der Rechtsstaatlichkeit ein entscheidender Faktor.
Damit ist das Verfahren gegen Herrn Chodorkowski und Herrn Lebedew auch ein Testfall für die Modernisierungsfähigkeit Russlands.
Aus dem, was ich auch heute in der kurzen Zeit beobachten konnte, vor allem aber aus den Studien der Prozessbeobachtungsunterlagen, aus mehreren Gesprächen mit diversen Anwälten der Angeklagten und aus den Berichten meiner Bundestagskollegen, die den Prozess bereits beobachtet haben, fühle ich mich in der eingangs geschilderten Sorge bestätigt, dass dieser Prozess in rechtsstaatlicher Hinsicht Fragezeichen aufwirft und dass er möglicherweise für politische Ziele genutzt werden könnte.
Daraus ziehe ich folgende Schlussfolgerungen:
1. Ich halte eine ständige Beobachtung dieses Prozesses durch Vertreter der EU und des Europarates für erforderlich, um eine differenzierte Bewertung des Verfahrens sicher zu stellen. Aus Deutschland waren bereits Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Frau Beck von den Grünen und Herr Meckel von der SPD da, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, mein Kollege Ruprecht Polenz, wird auch deswegen bald nach Moskau kommen.
2. Wir, d.h. Parlamentarier und Regierungen aus den Ländern des Europarates, müssen auch weiterhin - im angemessenen Ton - die rechtsstaatlichen Defizite offen ansprechen. Es geht dabei nicht darum, politischen Druck auszuüben. Ich sehe dieses offene Ansprechen vielmehr als Unterstützung des Kurses des russischen Präsidenten im Kampf gegen "Rechtsnihilismus" und für mehr Rechtsstaatlichkeit.
3. EU und insbesondere Deutschland sollten den Ausbau ihrer Zusammenarbeit mit Russland auf dem Gebiet des Justizwesens weiterhin anbieten, um den russischen Präsidenten bei seinen Bemühungen zur Schaffung einer wirklich unabhängigen Justiz zu unterstützen, und damit ihre konkreten Beiträge zur Modernisierung verstärken.
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