Stübgen: Europa gestalten - nicht verhindern
Berlin (ots)
Zur Diskussion über die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten erklärt der Europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Stübgen MdB:
Der Deutsche Bundestag muss bei der jetzt notwendigen Gesetzgebung zum neuen Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon zwingend berücksichtigen, dass ihm nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine besondere Verantwortung im Rahmen der Mitwirkung in Angelegenheiten der EU zukommt. Diese Integrationsverantwortung muss der dynamischen Vertragsentwicklung des europäischen Integrationsprozesses Rechnung tragen und innerstaatlich den verfassungsrechtlich gebotenen Beteiligungsrechten des Bundestages und, sofern die Länder betroffen sind, des Bundesrates nach Art. 23 GG genügen. Ein erneutes Scheitern des Begleitgesetzes in Karlsruhe kann sich niemand leisten. Die Neufassung des Begleitgesetzes muss folgende Punkte beinhalten.
I. Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes erfüllen Das Bundesverfassungsgericht verlangt in seinem Urteil sehr genau, in welchen Fällen die Beteiligungsrechte ausgestaltet werden müssen. Diese zwingenden Mindestvorgaben müssen in einem Gesetz über die Integrationsverantwortung von Bundestag und Bundesrat geregelt werden. Damit wird sofort ersichtlich, wie die Vorgaben aus dem Urteil umgesetzt worden sind.
Es handelt sich dabei u.a. um die Mitwirkungspflichten der nationalen Parlamente, bei denen der Vertrag von Lissabon nicht hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar ist. Dazu gehören u. a. die Flexibilitätsklausel des Art. 352 AEUV, die Brückenklauseln für den Übergang von der Einstimmigkeit zur Mehrheitsentscheidung, die Verfahren zur vereinfachten Änderung der Verträge gemäß Art. 48 AEUV und die Entwicklungsklauseln im Strafrecht und im Familienrecht.
Es sollte auch selbstverständlich sein, dass in der Vorlage der Parlamentsvorbehalt sowie die Einvernehmensherstellung aus der Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung (BT-Drs.-Nr. 16/13169) enthalten sein werden, zu der sich die Bundesregierung im Falle der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten und bei Vertragsänderungen verpflichtet hat.
II. Mitwirkungsrechte in einem Gesetz regeln Der bisherigen Lösung, die Beteiligungsrechte des Parlamentes in einer Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung (BBV) zu regeln, hat das Verfassungsgericht eine eindeutige Absage erteilt. Die Vereinbarung ist weder von ihrer nicht eindeutigen Rechtsnatur noch ihrem Inhalt nach ausreichend, um die in Art. 23 GG festgelegten Mitwirkungsrechte verfassungskonform auszugestalten. Die Regelungen der BBV müssen deshalb in ein Mitwirkungsgesetz aufgenommen werden. Bislang noch bestehende Auslegungsschwierigkeiten müssen dabei beseitigt werden.
Von besonderer Bedeutung für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist die Bindungswirkung der Stellungnahmen des Deutschen Bundestages für die Bundesregierung: Vor Festlegung ihrer Verhandlungsposition muss die Bundesregierung zukünftig dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Gibt der Bundestag dann eine Stellungnahme ab, muss diese für die Bundesregierung bindend sein; sie könnte davon in den Verhandlungen auf europäischer Ebene nur abweichen, wenn zwingende außen- und integrationspolitische Gründe dies erforderten (verbindliche Stellungnahmen).
Bei Stellungnahmen zu Rechtsetzungsakten nach Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 GG muss die Bundesregierung bei mangelnder Durchsetzbarkeit einen Parlamentsvorbehalt einlegen und Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag vor einer abweichenden Ratsentscheidung herstellen (Parlamentsvorbehalt).
III. Zeitplan nicht durch überzogene Forderungen gefährden Das Bundesverfassungsgericht macht die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon von dem Inkrafttreten eines neuen Begleitgesetzes abhängig. Der Deutsche Bundestag hat durch einen ehrgeizigen Zeitplan sichergestellt, dass das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Wahlperiode abgeschlossen werden kann und das Gesetz am 1. Oktober 2009 in Kraft tritt. Alles, was diesen Fahrplan gefährdet, lehnen wir strikt ab. Das betrifft insbesondere Forderungen, den Vertrag von Lissabon unter einen völkerrechtlichen Vorbehalt zu stellen. Einen solchen Vorbehalt hat das Bundesverfassungsgericht in keiner Weise gefordert. Andere Überlegungen zur Einführung eines neuen Integrationskontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht sollten auf die nächste Legislaturperiode vertagt werden. Wir sehen beim jetzigen Stand der Gespräche gute Chancen, dass wir diesen ehrgeizigen Zeitplan umsetzen werden.
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