CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Hintze: Die Zukunft kann nicht gewinnen,
wer sich von der Vergangenheit bannen lässt
Berlin (ots)
Zur Debatte um die Benes-Dekrete erklärt der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Hintze MdB:
Die Debatte um die sogenannten Benes-Dekrete droht zu einer ernsten Gefahr für die Erweiterung der Europäischen Union zu werden. Der Deutsche Bundestag wie das Europäische Parlament lassen die Vereinbarkeit der Dekrete mit den Beitrittskriterien durch Gutachten überprüfen. Beide Seiten müssen sich jetzt ernsthaft bemühen, die Belastungen der Vergangenheit nicht zu einer Hypothek für die gemeinsame Zukunft werden zu lassen. Ob dies gelingt, ist im jetzigen Stadium durchaus ungewiss. Alle beteiligten Akteure sollten ihre Wortmeldungen darauf prüfen, ob sie der Bedeutung der anstehenden Entscheidungen angemessen sind.
Die EU-Erweiterung ist für uns auch der Abschluss eines langandauernden Prozesses der Aussöhnung mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa. Tschechien und die Slowakei sind in der Europäischen Union herzlich willkommen. Gerade wegen der deutschen Mittellage und der besonderen Geschichte unserer Beziehungen ist die deutsche Politik heute immer noch vielfältigen Verdächtigungen ausgesetzt. Diese Befürchtungen sind unbegründet, wenn auch historisch verständlich. Unsere tschechischen und slowakischen Freunde müssen in aller Klarheit wissen, dass es keinen Grund gibt, zu fürchten, Deutschland wolle das Rad der Geschichte zurückdrehen.
Es wäre aber mehr als wünschenswert, wenn Tschechien und die Slowakei ihrerseits erklären könnten, dass die Vertreibung Unrecht war und ihre Folgen für die betroffenen Menschen durch die Tschechische Republik und die Slowakei bedauert werden. Niemand erwartet, dass die Dekrete mit ihrer Bedeutung für die gesamte Eigentumsordnung und das Staatsverständnis rückwirkend aufgehoben werden. Es geht allein darum, die Geltung und Anwendbarkeit diskriminierender Bestimmungen der Dekrete ab dem Beitrittszeitpunkt auszuschließen und nicht, ihren Unrechtscharakter demonstrativ zu leugnen.
Die Verarbeitung historischer Vorgänge und die Erkenntnis historischer Wahrheiten in Westeuropa und in Osteuropa unterliegt einer großen Ungleichzeitigkeit. Die mühsamen Bewusststeinsbildungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland zur Frage der Vertreibung dauern seit ihrer Gründung 1949. In Mittel- und Osteuropa war die öffentliche Debatte hierzu erst seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 eröffnet. Es steht uns deshalb nicht zu, anderen vorzuwerfen, nicht schnell genug mit der eigenen Vergangenheit zu brechen. Nach den unsäglichen Äußerungen einzelner tschechischer Spitzenpolitiker ist die gemeinsame Erklärung aller Parteien im tschechischen Parlament vom 24. April 2002 ein Schritt in die richtige Richtung. Von dieser Erklärung gehen zwei bedeutsame Signale aus: Erstens die Dekrete sind verbraucht. Auf ihrer Grundlage können heute keine Rechtsbeziehungen mehr entstehen. Dies bedeutet, dass alle politisch gestaltenden Kräfte in Prag ihren Willen zum Ausdruck bringen, dass die Dekrete künftig keine normative Kraft mehr entfalten und kein Hindernis für den Beitritt darstellen sollen. Zweitens geht an die eigene Bevölkerung in Tschechien das Signal, dass es keinen Grund zur Verunsicherung gibt. Die Eigentumsordnung des Landes wird nicht in Frage gestellt. Bedauerlich bleibt allerdings, dass der Unrechtscharakter der Vertreibung nicht nur keinen Ausdruck, sondern im Gegenteil ausdrückliche Rechtfertigung findet. Das ist in der Rechts- und Wertegemeinschaft Europas am Anfang des 21. Jahrhundert unverständlich.
Der Versuch der politischen Klasse Tschechiens, den Stein des Anstoßes aus dem Weg zu räumen und die rechtlichen Wirkungen der Dekrete für erledigt zu erklären, bietet die Perspektive für ein versöhnliches Ende der Debatte. Es wäre zu begrüßen, wenn das tschechische Parlament das Erlöschen der Dekrete auch rechtlich fixieren würde. Dies wäre der beste Ansatz für den baldigen Abschluss der Erweiterungsverhandlungen und den Beitritt Tschechiens und der Slowakei zur Europäischen Union in der ersten Erweiterungsrunde. Bei den Wahlen zum Europaparlament 2004 sollten ihre Bürger beteiligt sein.
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