Marschewski: Offene Fragen der deutsch-tschechischen Vergangenheit auf dem Weg in die Zukunft bewältigen
Berlin (ots)
Zu den Äußerungen des tschechischen Außenministers Cyril Svoboda im Zusammenhang mit seinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland am 14. Januar 2003 und im Hinblick auf den Besuch des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel in Berlin erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Vertriebene und Flüchtlinge" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski MdB:
Dass sich der tschechische Außenminister Cyril Svoboda im Zusammenhang mit seinem Besuch in Berlin dagegen ausgesprochen hat, die Benesch-Dekrete zum Gegenstand neuer Verhandlungen zu machen, ist bedauerlich. Der Aussage, dass die Vergangenheit kein Thema für Verhandlungen sei, ist zudem deutlich zu widersprechen.
Gerade die Belastungen, die sich im deutsch-tschechischen Verhältnis in den letzten zwölf Monaten, ausgehend von den ehrverletzenden Äußerungen des damaligen tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman gegenüber den sudetendeutschen Heimatvertriebenen ergeben haben, zeigen, dass die offenen Fragen aus der Vergangenheit nicht einfach ausgeklammert werden können. Die letzten zwölf Monate im deutsch-tschechischen Verhältnis haben deutlich gezeigt, dass unbewältigte Fragen, wenn sie von der Tagespolitik unterdrückt werden, immer wieder eruptiv hervorbrechen.
So haben alle mit den Fragen der Benesch-Dekrete befassten Völkerrechtler das sogenannte "Straffreiheitsgesetz" (Gesetz Nr. 115 von 1946), welches Verbrechen an den Deutschen und Ungarn straffrei stellt, zumindest moralisch kritisiert, zumeist aber vor dem Hintergrund der gemeinsamen europäischen Rechts- und Werteordnung rechtliche Einwände geäußert. So schrieb der Völkerrechtler Prof. Dr. Christian Tomuschat: "Aus Gründen des Respekts vor den Menschenrechten muss die tschechische Republik das Gesetz vom 8. Mai 1946 vor ihrer Aufnahme in die Europäische Union aufheben."
Die rot-grüne Bundesregierung hat bisher jede Gelegenheit ausgelassen, die aus der Vergangenheit herrührenden offenen Fragen zu thematisieren und einer Lösung zuzuführen. Dies stets mit dem Verweis auf die deutsch-tschechische Erklärung von 1997, die aber entgegen der Ansicht der Bundesregierung keinen Schlussstrich darstellt.
Die Tschechische Republik begnügt sich damit, von Zeit zu Zeit Gesten gegenüber den heimatvertriebenen Sudetendeutschen anzukündigen, diese Ankündigungen aber ebenso schnell wieder zurückzuziehen. Zuletzt hat der scheidende tschechische Staatspräsident Vaclav Havel am 29. Oktober 2002 ein "deutliches Zeichen" der moralischen Distanzierung von der Vertreibung der Sudetendeutschen angekündigt. Dadurch, dass der tschechische Außenminister erklärt hat, nicht über Fragen der Vergangenheit reden zu wollen, konterkariert er diese Aussagen seines Staatspräsidenten erneut.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in dem Antrag "Der Weg für die Osterweiterung ist frei: Abschluss der Beitrittsverhandlung auf dem Europäischen Rat von Kopenhagen" (Drucksache 15/195) deutlich gemacht: "Wir wollen ein Europa, in dem die Völker und Volksgruppen einträchtig und ohne rechtliche Diskriminierung aus der Vergangenheit zusammenleben können. Auch nach der Erweiterung bleiben die Vertreibungsdekrete und -gesetze Unrecht."
Wenn Bundeskanzler Schröder im März mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Vladimir Spidla zusammentrifft, sollte die Bundesregierung endlich die Gelegenheit nutzen, die offenen Fragen aus der Vergangenheit anzusprechen und einer Lösung zuzuführen.
Wenn am Freitag dieser Woche der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel auf Einladung von Bundespräsident Rau in Berlin weilt, wäre das im Oktober 2002 angekündigte "deutliche Zeichen" der Distanzierung vom Unrecht der Vertreibung eine wichtige Geste zur richtigen Zeit. Der tschechische Staatspräsident könnte damit an seine mutigen Aussagen zur Vertreibung zu Beginn seiner Amtszeit anknüpfen. Vor dem Hintergrund des Beitritts Tschechiens zur EU wäre dies eine Geste von höchstem Wert.
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