Pflüger/Rose: Fehler Schröders in der VN-Reformdebatte
Berlin (ots)
Zur Forderung Kanzler Schröders nach einem ständigen Sitz im VN- Sicherheitsrat mit Vetorecht für Deutschland erklären der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Friedbert Pflüger MdB, und der Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion im Unterausschuss Vereinte Nationen, Dr. Klaus Rose MdB:
1. Dass Deutschland bei einer heutigen Reform der VN einen vollwertigen ständigen Sitz im Sicherheitsrat (SR) erhält, ist im Interesse unseres Landes. Hierin sind sich Bundesregierung und CDU/CSU-Bundestagsfraktion einig. Der Deutsche Bundestag hat auf unseren Antrag vom Oktober 1995 hin am 12.06.1997 beschlossen, dass Deutschland entsprechend seiner gewachsenen Rolle ständig im SR vertreten sein müsse, falls eine gemeinsame Vertretung der Europäischen Union als vorrangiges Ziel nicht zu erreichen ist. Unsere Haltung hat Angela Merkel zuletzt auf dem Parteitag in Düsseldorf bekräftigt. Dabei hat für uns ebenfalls festgestanden, dass alle ständigen SR-Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten haben sollten. Eine weitere Aufsplitterung des SR stärkt weder dessen Legitimität noch Effizienz.
2. Im Verlauf der Debatte um die VN-Reform jedoch schien die Bundesregierung nicht immer zu wissen, was sie wolle: Zuerst versäumte es die Bundesregierung, im Herbst 2003 einen deutschen Vertreter in die Annan-Experten-Kommission zur Reform der VN zu entsenden, um dann ab dem 12. Mai 2004 finster entschlossen einen deutschen SR-Sitz anzustreben. Wenn der Bundesregierung von Anfang an an der Reform und einem SR-Sitz gelegen gewesen wäre, hätte Deutschland in der Kommission vertreten sein müssen. Lange Zeit haben Kanzler und Außenminister zum Thema Veto geschwiegen, um dann innerhalb weniger Tage die Frage erst als nicht so wichtig abzutun (Fischer), bzw. daraufhin das Veto für Deutschland zu fordern (Schröder).
3. Die Bundesregierung hat ihr Eintreten für einen ständigen SR-Sitz offensichtlich nicht mit den europäischen Partnern abgestimmt. Zwar gibt es von einigen europäischen Regierungen öffentlich Unterstützung für den deutschen Anspruch, dennoch ist die deutliche Kritik, u.a. in Spanien, Polen und vor allem Italien, nicht zu überhören. Die Bundesregierung droht ein weiteres Mal, Europa zu spalten und zu re-nationalisieren. Sie hat es verpasst, ihren Anspruch mit der Absicht zu verknüpfen, einen eventuellen deutschen ständigen Sitz treuhänderisch für die EU wahrnehmen zu wollen. Damit hätte sie ihren Anspruch europäisch eingebettet. Sie hätte verdeutlicht, dass es nicht um rein nationale Ambitionen gehe, und damit wohl größere Unterstützung erfahren.
4. Es ist auch fraglich, ob es klug war, dass die Bundesregierung sich mit Japan, Indien und Brasilien demonstrativ zusammengetan hat (gemeinsames Bild am Rande der VN-Generalversammlung, September 2004). Allem Anschein nach brachten die Vier nur zusätzlich die Gegner des jeweilig anderen gegen sich auf. Stellvertretend für viele Staaten sagte der mexikanische Außenminister Derbez deutlich am 4. Oktober zu meinem Kollegen Christian Ruck und mir: Wenn Deutschland glaube, über die Köpfe der Lateinamerikaner hinweg deren künftige Vertretung im VN-SR bestimmen zu können, dann müsse Mexiko in Europa seine Freunde woanders suchen.
So pflegt man weder Freunde, noch gewinnt man Unterstützung für ein so wichtiges Ziel.
5. Eine Quittung für ihre Politik erhielt die Bundesregierung im Bericht des Annan-Expertengremiums: Indem es alternativ zwei Modelle zur Erweiterung des VN-SRs vorschlägt, gibt es zu erkennen, dass eine Erweiterung um ständige Mitglieder eher unwahrscheinlich ist. Weil das Gremium empfiehlt, dass bei keinem Reformvorschlag das Vetorecht ausgeweitet wird, bliebe Deutschland auf jeden Fall zweitklassig und im Falle des Modells von u.a. acht 4-Jahressitzen obendrein in Konkurrenz mit Staaten in Europa, die die Bundesregierung in den letzten Jahren kontinuierlich vor den Kopf gestoßen hat.
In dieser kritischen Phase ist stille Diplomatie gefordert. Stattdessen setzt der Kanzler mit seiner öffentlichen Forderung nach dem Veto ein Ausrufezeichen zur falschen Zeit. Die Gegner einer Erweiterung des SRs um ständige Sitze reiben sich die Hände.
6. Die Kampagne der Bundesregierung hat offenbar mehr mit dem Wahlkampf 2006 als mit Außenpolitik zu tun. Der Wähler soll mit vermeintlichem Prestigegewinn gelockt werden. Zugleich unterlässt es die Bundesregierung, darüber zu sprechen, was Deutschland mit einem ständigen Sitz bezweckt - z.B. treuhänderisch für die EU wahrzunehmen -, welche Politik sie dann verfolgen wird und welche zusätzliche Verantwortung und Verpflichtungen mit einem ständigen Sitz auf Deutschland zukämen. Noch vor kurzem hat Frau Wieczorek- Zeul von zusätzlichen Verpflichtungen in Milliarden-Höhe gesprochen. Über die Konsequenzen wäre eine ausführliche öffentliche Debatte von Nöten. Die Regierung verweigert jedoch diese Debatte.
Mit ihrer öffentlichen Kampagne hat die Bundesregierung zuviel riskiert. Sie sollte nicht den deutschen Sitz im SR in den Mittelpunkt ihrer VN-Arbeit stellen, sondern vielmehr die Reform der VN insgesamt und die Notwendigkeit einer besseren Vertretung der Interessen Europas im SR.
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