FZ: Pressestimme "Fuldaer Zeitung" (Samstagausgabe, 31. Juli 2010) zu Sicherungsverwahrung/Fußfessel
Fulda (ots)
Das Thema ist zu ernst, um es der Kasperlebühne des politischen Sommertheaters und seinen Protagonisten zu überlassen: Wie soll der Staat mit Straftätern umgehen, die ihre Haftzeit verbüßt haben, weiter eine akute Gefahr für die Allgemeinheit darstellen? Das neue Gesetz zur Sicherungsverwahrung, dessen Entwurf derzeit im Justizministerium in Arbeit ist, muss den Richtern in diesem sensiblen Punkt zuverlässige und praktikable Normen an die Hand geben, die den Zweck erfüllen und dabei nicht übers Ziel hinausschießen: Es gilt also, die Balance zu finden zwischen dem knallharten Prinzip "Alle wegschließen" und dem oft etwas naiven Credo "Jeder hat eine zweite Chance verdient". Für die Zukunft muss die Stoßrichtung des Gesetzes klar sein: Die Gerichte sollten in allen Fällen, wo dies auch nur am Rande erwägbar erscheint, einen Passus ins Urteil einbauen, der es später ermöglicht, Straftäter vor Ende ihrer Haftstrafe noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls dauerhaft hinter Schloss und Riegel zu halten. Das heißt nicht, dass jetzt massenhaft Verurteilte bis ins Greisenalter weggeschlossen werden sollen - aber zumindest die Option muss sich der Staat in den wirklich schweren Fällen offenhalten. Verzwickt wird die Lage indes bei den so genannten Altfällen - bei Verbrechern, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung aufgebrummt bekamen, obwohl eine solche zum Zeitpunkt ihres Vergehens noch gar nicht Gesetzeslage war. Hier hat der Europäische Gerichtshof ein Stoppsignal gesetzt, was nicht so ohne Weiteres übersehen werden darf. Zwar spielten dabei vor allem formalrechtliche Fragen wie das Rückwirkungsverbot eine Rolle - doch wer den Rechtsstaat ernst nimmt, muss auch diese Konsequenzen bis hin zur Freilassung von Gewalttätern akzeptieren. Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es nun, alle juristischen Lücken zu vermeiden und potenziellen Schaden für die Allgemeinheit zu minimieren. Ob das allerdings - wie von der Justizministerin geplant -, per elektronischer Fußfessel gelingt, ist zweifelhaft: Der Piepser am Bein mag geeignet sein, einen Freigänger zu überwachen, der Diebstähle oder Steuerhinterziehung auf dem Kerbholz hat; er wird aber kaum einen Triebtäter davon abhalten, sich ein neues Opfer zu suchen. Die Dauerobservation solcher Schwerverbrecher durch Polizisten indes scheint unverhältnismäßig und unbezahlbar teuer. Doch sie ist für die Übergangszeit mit Sicherheit immer noch der bessere Weg, als die Delinquenten einem aufgebrachten Mob von verängstigten Nachbarn zu überlassen.
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