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Krisen- und Industriepolitik: EU-Kommission muss Beihilfen stärker kontrollieren

Krisen- und Industriepolitik: EU-Kommission muss Beihilfen stärker kontrollieren
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Pressemitteilung

Luxemburg, 23. Oktober 2024

Krisen- und Industriepolitik: EU-Kommission muss Beihilfen stärker kontrollieren

  • Auf die jüngsten Krisen hat die EU-Kommission rasch reagiert und den EU-Ländern die Vergabe von staatlichen Beihilfen in beispielloser Höhe ermöglicht.
  • Die Überwachung der von den EU-Ländern gewährten Beihilfen für Unternehmen wurde jedoch zurückgefahren.
  • Der Bedarf an staatlichen Beihilfen zur Unterstützung der EU-Industriepolitik muss besser analysiert werden.

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise und dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat die Europäische Kommission ihre Vorschriften für staatliche Beihilfen gelockert, damit die EU-Länder das Überleben von Unternehmen sichern konnten. Dadurch habe sie jedoch ihre Fähigkeit zur Kontrolle dieser Beihilfen beschnitten. Zu diesem Schluss gelangt der Europäische Rechnungshof in einem aktuellen Bericht. Seit 2020 habe der Umfang der staatlichen Beihilfen erheblich zugenommen. Gleichzeitig sei die EU-Kommission nicht ausreichend über die von den Mitgliedstaaten eingeführten Maßnahmen oder über deren Auswirkungen auf den Wettbewerb informiert. Zudem hätten die Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen in verschiedenen Branchen. Dies gefährde den EU-Binnenmarkt, da die finanziellen Möglichkeiten der EU-Länder unterschiedlich seien.

In der EU sind staatliche Beihilfen für Unternehmen im Allgemeinen verboten, da sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren können. Unter bestimmten Umständen können staatliche Eingriffe jedoch wünschenswert oder sogar erforderlich sein. In den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission drei befristete rechtliche Rahmen für staatliche Beihilfen verabschiedet, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollten, von der Krise betroffene Unternehmen zu unterstützen: den ersten Rahmen 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie, den zweiten 2022 als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine und den dritten 2023 zur Unterstützung des europäischen Grünen Deals.

"Die EU muss auch in Krisenzeiten staatliche Beihilfen unter Kontrolle halten, um unseren Binnenmarkt zu schützen und einen freien und fairen Wettbewerb zu gewährleisten", so George Hyzler, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen Gewissheit haben, dass die staatlichen Beihilfen tatsächlich nötig sind und kurzfristige Lösungen nicht letztlich den EU-Binnenmarkt gefährden."

Durch die Verabschiedung der beiden ersten Krisenrahmen habe die Kommission rasch auf den Bedarf von Mitgliedstaaten reagiert, mit staatlichen Beihilfen auf die durch die Pandemie und den russischen Einmarsch in die Ukraine verursachten wirtschaftlichen Störungen zu reagieren. Infolgedessen hätten sich die Ausgaben für staatliche Beihilfen in der EU fast verdreifacht: Sie seien von rund 120 Milliarden Euro jährlich in der Zeit vor der Krise auf über 320 Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021 und fast 230 Milliarden Euro im Jahr 2022 gestiegen. Die Bedingungen für die Gewährung staatlicher Beihilfen als Reaktion auf die Pandemie seien jedoch nicht immer klar definiert oder ausreichend auf die am stärksten betroffenen Unternehmen ausgerichtet gewesen.

Die Kommission habe ihre Verfahren zur Überprüfung der von den Mitgliedstaaten angemeldeten Beihilfen gestrafft, sodass die Fälle schneller geprüft werden konnten. Mitunter seien jedoch Entscheidungen getroffen worden, ohne dass nähere Informationen über die letztlich verwendeten Finanzierungsmechanismen vorgelegen hätten. Während der Krisen habe die Kommission auch die Kontrollen staatlicher Beihilfen zurückgefahren. Zudem verfüge sie bisher über keinen strukturierten Ansatz, mit dem nicht angemeldete Beihilfen aufgedeckt werden könnten.

Auch würden staatliche Beihilfen zunehmend für industriepolitische Ziele – u. a. zur Stärkung der strategischen Unabhängigkeit der EU und für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft – eingesetzt. Die derzeitigen Beihilfevorschriften der EU seien jedoch komplex und nicht immer in sich stimmig oder ausreichend durch wirtschaftliche Analysen untermauert. Dies könne die Funktion des EU-Binnenmarkts gefährden, da wohlhabendere Länder andere überbieten und somit den Wettbewerb verzerren könnten.

Schließlich stellen die Prüfer fest, dass derzeit nicht hinreichend klar ist, wer staatliche Beihilfen erhält. Insbesondere legten die Mitgliedstaaten keine vollständigen und zuverlässigen Daten über die tatsächlich gewährten Beihilfen vor. Dies schränke die Kontrolle der Beihilfen durch die EU-Kommission ein.

Hintergrundinformationen

Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten – außer in bestimmten Ausnahmefällen – verpflichtet, die Kommission förmlich von jeder beabsichtigten Einführung staatlicher Beihilfen zu unterrichten. Die Kommission beurteilt daraufhin, ob die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, und trifft eine Entscheidung über deren Genehmigung oder Verbot. Darüber hinaus muss sie die staatlichen Beihilfen in den Mitgliedstaaten kontrollieren und potenziell rechtswidrige Beihilfen ermitteln.

Die Erkenntnisse der Prüfer untermauern die in Enrico Lettas Bericht gestellte Forderung, die EU-Industriepolitik müsse einem stärker europäisch ausgerichteten Ansatz folgen und gleichzeitig sicherstellen, dass der Wettbewerb nicht durch schädliche Subventionen gefährdet werde. Ihre Feststellungen sind auch im Lichte von Mario Draghis Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit der EU von Bedeutung, da europäische Unternehmen auf den Weltmärkten mit staatlich geförderten Unternehmen aus anderen Ländern, insbesondere China, Japan und den USA, konkurrieren.

Der Sonderbericht 21/2024: "Staatliche Beihilfen in Krisenzeiten: Zügige Reaktion der Kommission, aber mangelhafte Kontrollen und Widersprüche in den Leitlinien zur Unterstützung der industriepolitischen Ziele der EU" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.

Pressekontakt

Pressestelle des Europäischen Rechnungshofs: press@eca.europa.eu

  • Damijan Fišer: Mobil: (+ 352) 621 552 22
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