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«Bevölkerungsaustausch»: Rechter Kampfbegriff hat mit Realität nichts zu tun

Berlin (ots)

Das Narrativ stammt aus rechtsextremen Kreisen: Die angeblich einheimische Bevölkerung in Deutschland und der westlichen Welt werde schrittweise ersetzt von Migranten aus islamisch geprägten Ländern. In diesem Zusammenhang wird seit Jahren im Internet die These verbreitet, die Vereinten Nationen (UN) hätten sich im Jahr 2000 für «Migranten als "Bevölkerungsersatz" für Europäer» ausgesprochen.

BEWERTUNG: Der UN-Bericht zeigt lediglich Szenarien auf, mit denen man den Problemen einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung begegnen könnte. Die Begriffe «Bevölkerungsaustausch» oder «Umvolkung» kommen darin nicht vor. Es handelt sich um Kampfbegriffe in rechtsextremen Kreisen.

FAKTEN: «Vereinte Nationen fordern vollständigen Bevölkerungsaustausch für Deutschland» heißt es unter anderem in einem Artikel des Internetportals «anonymousnews.ru» von 2017 (http://dpaq.de/1zAN3). Demnach sei ein «Bevölkerungsaustausch mit Migranten aus Nahost und Nordafrika» angestrebt. «Offenkundig ist der Asyl-Tsunami von langer Hand geplant», heißt es.

Auch das Portal «Epoch Times» verbreitete, die UN habe einen «Bevölkerungsersatz» beziehungsweise eine «Verdrängungsmigration» mithilfe von Zuwanderung empfohlen (http://dpaq.de/LEpFv). Beide Websites verweisen auf den UN-Bericht «Replacement Migration» aus dem Jahr 2000 (http://dpaq.de/goZti). In der deutschen Zusammenfassung des Dokuments ist von «Bestandserhaltungsmigration» die Rede (http://dpaq.de/c3vy9), nicht von «Austausch».

Die Analyse beschäftigt sich laut deutscher Pressemitteilung mit der «Zuwanderung aus dem Ausland, die ein Land benötigt, um zu vermeiden, dass seine Bevölkerung (...) abnimmt und überaltert», was «auf Grund niedriger Fruchtbarkeitsraten und steigender Lebenserwartung» als wahrscheinlich eingeschätzt wird (http://dpaq.de/8teHb). Es ist also ein Vorschlag, wie man der Überalterung gegensteuern könnte, und keine Handlungsaufforderung.

Die ehemalige «Tagesschau»-Sprecherin Eva Herman sagte in einem Interview des Senders «Russia Today», in dem UN-Papier werde «festgestellt und geplant (...), dass eine Art - und es heißt dort wörtlich - Bevölkerungsaustausch stattfinden soll» (http://dpaq.de/TPnrF). In dem UN-Dokument sind aber weder das Wort «Bevölkerungsaustausch» noch synonym gebrauchte Bezeichnungen zu finden.

Mehrere Wissenschaftler haben festgestellt, dass ein Rückgang der Menschen im erwerbsfähigen Alter und eine alternde Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf Deutschland haben wird. So verschärft sich etwa der Fachkräftemangel. Immer weniger Erwerbstätige müssen dann für die Leistungen aufkommen, die einer wachsenden Zahl an Älteren zusteht. (http://dpaq.de/iZss4 , http://dpaq.de/f9i3O)

Unter anderem fordert deswegen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, mehr Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. «Dies gilt übrigens nicht nur für Zuwanderung aus der EU, sondern auch mit Blick auf Zuwanderer aus anderen Ländern der Welt», heißt es etwa in einer Pressemitteilung Ende 2018 (http://dpaq.de/GszR9).

Mehrfach wurde behauptet, die Medien hätten im Erscheinungsjahr nicht über das UN-Papier berichtet. Das ist falsch. So hieß es unter anderem am 19. Juli 2000 in einer dpa-Meldung: «Um die derzeitige Bevölkerungszahl von 82 Millionen zu halten, müssten nach einer Berechnung der Vereinten Nationen jährlich 325 000 Menschen nach Deutschland kommen.» (http://dpaq.de/U58Uv)

Der Verfassungsschutz betrachtet den Begriff «Bevölkerungsaustausch» sowie synonym genutzte Bezeichnungen als «rechtsextremistische Ideologieelemente». In seiner Stellungnahme zum rassistischen Terroranschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch vom März 2019 verweist der Inlandsgeheimdienst mehrfach auf den umstrittenen Begriff. Der Attentäter hatte ihn unter anderem als Titel seines Manifestes genutzt (http://dpaq.de/bqfxn).

AfD-Parteichef Alexander Gauland sprach davon, der «Bevölkerungsaustausch» laufe in Deutschland «auf Hochtouren» (http://dpaq.de/sedBj). Zudem behandelt der Verfassungsschutz den AfD-Nachwuchs von der Jungen Alternative als Verdachtsfall - unter anderem, weil dessen Muslimfeindlichkeit zutage tritt, indem «immer wieder vor einem «Bevölkerungsaustausch» durch Muslime gewarnt» werde (http://dpaq.de/OVRyl).

Laut Verfassungsschutz werde mit solchen Begriffen «ein ethnisch-biologisch bzw. ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis» propagiert, das gegen die grundgesetzlich verankerte Menschenwürde verstoße. (http://dpaq.de/0BTv3)

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Links:

   - UN-Bericht «Replacement Migration»: http://dpaq.de/goZti
   - Deutsche Zusammenfassung: http://dpaq.de/c3vy9
   - DIW-Pressemitteilung: http://dpaq.de/GszR9
   - Verfassungsschutz zur Christchurch-Terroranschlag: 
     (http://dpaq.de/bqfxn
   - Gauland zu «Bevölkerungsaustausch»: http://dpaq.de/sedBj
   - Verfassungsschutz zur JA: http://dpaq.de/OVRyl
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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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