Terroristische Angriffe auf Kernkraftwerke - aus rechtlicher Sicht - Vortrag des Staatsrechtlers Prof. Dr. Fritz Ossenbühl fand hohe Beachtung
Berlin (ots)
Seit den terroristischen Anschlägen in den USA am 11. September 2001 werden als Bedrohungsszenario auch derartige Angriffe, insbesondere durch den Einsatz von Flugzeugen, auf kerntechnische Anlagen diskutiert. Die sich daraus ergebenden vielfältigen rechtlichen Fragen wurden heute (13. Dezember) im Rahmen einer Vortragsveranstaltung des Informationskreises Kernenergie in Berlin von Prof. Dr. Fritz Ossenbühl beantwortet. Professor Ossenbühl leitete lange Jahre an der Bonner Universität das Institut für Öffentliches Recht mit den Hauptarbeitsgebieten Staats- und Verwaltungsrecht sowie Staatshaftungsrecht. Zudem ist er ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Die Ergebnisse seiner Überlegungen fasste Professor Ossenbühl in sechs Punkten zusammen:
1. Die Abschaltung von Kernkraftwerken im Falle eines Flugzeugangriffs kommt als hoheitliche Maßnahme nur dann in Betracht, wenn sie geeignet ist, die zu erwartenden Schäden zu vermindern.
2. Eine Abschaltungsordnung bedarf der gesetzlichen Ermächtigung. Entgegen der Auffassung des Bundesumweltministeriums scheidet insoweit § 19 Abs. 3 AtG als Rechtsgrundlage aus. Das Atomgesetz enthält keine Grundlage für Abschaltungen bei Flugzeugangriffen, weil der Schutz vor Flugzeugangriffen nicht zum gesetzlichen Anlagensicherungsprogramm gehört und damit außerhalb der Zwecksetzung des Atomgesetzes steht.
3. Weil Flugzeugangriffe bei der Anlagensicherheit von den Regelungen des Atomgesetzes nicht erfasst werden, sind die Atombehörden für diesen Fall auch nicht zuständig. Zuständig sind vielmehr gem. § 19 Abs. 4 AtG in Verbindung mit den Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen der Länder die allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden, die aufgrund der allgemeinen polizeilichen Generalklausel im Falle einer gegenwärtigen Gefahr eine Abschaltung anordnen können.
4. Die Polizei- und Ordnungsbehörden stehen außerhalb der für das Anlagenrecht vorgesehenen Bundesauftragsverwaltung gem. Art. 85 GG und unterliegen demzufolge auch nicht den Weisungen des Bundesumweltministeriums.
5. Eine Nachrüstung der bestehenden Kernkraftwerke gegen Flugzeugangriffe kann nur bei Kostenübernahme durch den Staat verlang werden.
6. Wird die Gefahr, deren Abwehr oder Verminderung die Abschaltung dienen soll, nicht realisiert, steht den Betreibern als Nichtstörern ein Ersatzanspruch hinsichtlich der durch die Abschaltung entstandenen Schäden zu.
Christian Wilson Tel.: 030 288805-21 www.kernenergie.de
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