Deutsche AIDS-Hilfe: Heroingestützte Behandlung braucht gesetzliche Grundlage
Berlin (ots)
Anlässlich des vom Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit initiierten bundesweiten Gedenktages für verstorbene Drogengebraucher/innen am 21. Juli fordert die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, um Diamorphin (chemisch reines Heroin) für die ärztlich kontrollierte Behandlung von Opiatkonsumentinnen und -konsumenten einsetzen zu können. "Die wissenschaftliche Auswertung der deutschen Modellprojekte zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger hat den Erfolg dieser Behandlungsform eindeutig nachgewiesen", erklärte DAH-Bundesgeschäftsführer Dr. Escobar Pinzón. "Bei mehr als drei Viertel der Patientinnen und Patienten hat sich der Gesundheitszustand erheblich verbessert, die Beschaffungskriminalität ist deutlich zurückgegangen, viele Studienteilnehmer/innen haben wieder eine Arbeit und eine Wohnung gefunden, und einige Patienten sind mittlerweile sogar abstinent."
Umso unverständlicher findet Escobar Pinzón es, dass Vertreter von CDU und CSU auf Bundesebene eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes nach wie vor ablehnen - gegen die Mehrheit der Ministerpräsidenten der Bundesländer, die die Heroinvergabe durchführen (Hessen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind für eine Gesetzesänderung), gegen den Deutschen Städtetag und gegen den Konsens der Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Fachverbänden. Empört ist Escobar Pinzón auch über die Reaktion der CDU auf eine DAH-Postkartenkampagne, in deren Rahmen mittlerweile fast 40.000 Bürgerinnen und Bürger die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Dr. Merkel um Unterstützung für die Überführung der heroingestützten Behandlung in die Regelversorgung gebeten haben: "CDU-Generalsekretär Pofalla hat uns am 3. Juli unter anderem geschrieben, dass die Union eine Neuaufnahme von Patienten in die erfolgreichen Modellprojekte nicht befürwortet und Heroin auf Rezept zu Lasten der Solidargemeinschaft für kaum vermittelbar hält." In Wirklichkeit, so der DAH-Bundesgeschäftsführer, gehe es hier aber wohl um ideologische Widerstände - das Kostenargument jedenfalls sei falsch, weil die Ausgaben für die Gesellschaft und die Solidargemeinschaft bei gesundheitlich stabilisierten und sozial integrierten Patientinnen und Patienten sogar sänken.
Escobar Pinzón forderte die Bundesregierung auf, ihre Verantwortung für die Gesundheit aller Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher wahrzunehmen. "Beharrt die Union auf ihrer Position, dann bleibt der großen Mehrheit der Opiatkonsumenten diese erfolgreiche und möglicherweise lebensrettende Behandlung vorenthalten. Das halten wir für ungerecht und ethisch nicht vertretbar." Die DAH werde auch weiterhin für die heroingestützte Behandlung als eine Option eintreten - in Übereinstimmung mit der überwältigenden Mehrheit aller Fachleute und mit den Erfahrungen aus dem Ausland. "Studien in anderen Ländern, darunter die Schweiz und die Niederlande, sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wie das deutsche Modellprojekt. Daher ist Heroin z. B. in Großbritannien verschreibungsfähig, und auch in der Schweiz ist die kontrollierte Heroinabgabe nach einer Volksabstimmung ein wichtiges Instrument der Schadensminderung."
Die DAH gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Union zur Einsicht komme und die richtige Entscheidung treffe, sagte der DAH-Bundesgeschäftsführer. "Nach der Sommerpause wird der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Thema durchführen, zu der auch wir eingeladen sind und bei der wir für unser Anliegen eintreten werden."
Um der vielen tausend verstorbenen Drogengebraucher/innen zu gedenken und den dringenden drogenpolitischen Handlungsbedarf anzuzeigen, veranstalten Aids- und Drogenhilfen, Gruppen des Selbsthilfenetzwerks JES - Junkies, Ehemalige und Substituierte, Eltern, Angehörige und Freunde/Freundinnen von Drogenkonsument(inn)en sowie Aktionsbündnisse im Rahmen des Gedenktages am 21. Juli in über 30 Städten (z. B. in Frankfurt, Wuppertal, Hildesheim, Stuttgart, Berlin, Bonn oder Hamburg) Mahnwachen, Informationsveranstaltungen, Gottesdienste, Trauermärsche und andere öffentliche Kundgebungen.
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