Erneuerbare Energien treiben Strompreis nicht
Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe widerspricht Behauptung von höheren Belastungen für Verbraucher - Entlastende Effekte durch Zubau Erneuerbarer Energien werden systematisch ignoriert - Wirtschaftskrise erzeugt Scheineffekt durch insgesamt an der Börse gesunkene Strompreise
Berlin, 18. Oktober 2009: Der aufgrund der Regelungen des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) wachsende Anteil von Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Bioenergie führt auch in Zukunft nicht zu unkalkulierbaren Mehrkosten für private Haushalte und Industrie. Wer die von den Netzbetreibern am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Prognose der EEG-Umlage für 2010 zum Anlass für eine neue Strompreisdiskussion gegen die Erneuerbaren Energien nutze, führe die Öffentlichkeit bewusst oder unbewusst in die Irre, erklärte die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) in Berlin. Den steigenden Kosten für die EEG-Umlage stünden in Wirklichkeit Entlastungseffekte in vergleichbarer Größenordnung gegenüber. "Wer die steigenden Belastungen beklagt und die Entlastungen verschweigt, sagt nur die halbe Wahrheit", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Die rechnerische Steigerung der EEG-Umlage auf rund 2 Cent pro Kilowattstunde (Cent/kWh) Strom setze sich aus mehreren Faktoren zusammen. Zwar wachsen die Vergütungen insgesamt wegen der erwünschten starken Zunahme von Strom aus Erneuerbaren Energien. Die prognostizierte erhebliche Steigerung der Umlage für 2010 (gegenüber 2008 und gegenüber den Erwartungen für 2009) ist aber zuallererst eine Folge des in der Wirtschaftskrise generell gesunkenen Börsenpreises von Strom. Damit wird auch dem EEG-Strom ein geringerer Wert zugemessen, mithin steigt die Differenz zwischen den gesetzlich festgelegten Vergütungszahlungen und den Vermarktungserlösen an der Börse. Hinzu kommt, dass die EEG-Umlage auf den in der Krise geringeren Stromabsatz aufgeteilt werden muss. Schließlich wird wegen des kürzlich veränderten Ausgleichsmechanismus dem Strom aus Erneuerbaren Energien insgesamt ein um 400 Millionen Euro geringerer Marktwert zugerechnet, was die rechnerische Umlage ebenfalls entsprechend erhöht.
Baake beklagte, dass in der öffentlichen Debatte zum wiederholten Mal "volkswirtschaftlich oder direkt beim Stromkunden Kosten senkende Effekte des Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Milliardenhöhe unterschlagen werden". So führe der wachsende Anteil Erneuerbarer Energien an der Strombörse insgesamt zu einer Senkung der Preise, weil die am teuersten produzierenden konventionellen Kraftwerke nicht mehr oder seltener hochgefahren werden müssen. Dieser so genannte "Merit-Order-Effekt" belief sich nach wissenschaftlichen Untersuchungen 2006 auf etwa drei bis fünf Milliarden Euro, für 2007 und 2008 ergäben Schätzungen einen Preissenkungseffekt von drei bis etwas mehr als vier Milliarden Euro. Das allein entspricht etwa der Hälfte der für 2010 errechneten Mehrkosten durch Erneuerbare Energien von 8,2 Milliarden Euro. Auf 1,2 Milliarden Euro werde sich 2010 der Wert der durch Strom aus Erneuerbaren Energien eingesparten CO2-Zertifikate summieren. Steigen die derzeit sehr niedrigen Preise für die Verschmutzungsrechte, erhöhe sich dieser Entlastungseffekt entsprechend. Hinzu kämen heute für das Jahr 2010 noch nicht abschätzbare Nettoersparnisse, weil wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien weniger Energierohstoffe nach Deutschland importiert werden müssen. Für das Jahr 2008 wurden die Importersparnisse im Stromsektor auf 2,7 Milliarden geschätzt.
Der mit Abstand größte Nutzen des Einsatzes von Erneuerbaren Energien ergebe sich jedoch aus den wegen der CO2-Einsparung vermiedenen Schäden durch den Klimawandel. Diese liegen nach wissenschaftlichen Abschätzungen mit 70 Euro pro Tonne CO2 fünfmal höher als die Preise, die derzeit für CO2-Emissionszertifikate bezahlt werden müssen. Diese so genannten vermiedenen externen Kosten steigen im Jahr 2010 voraussichtlich auf rund sechs Milliarden Euro, wobei die Schäden durch andere Schadstoffe der konventionellen Stromerzeugung wie Schwermetalle, Stickoxide oder Feinstaub noch nicht berücksichtigt seien. "Bei einer ehrlichen Rechnung, die die Entlastungseffekte einbezieht, kommen wir eher auf eine dämpfende Wirkung der Erneuerbaren Energien als eine den Preis treibende", sagte Baake.
Die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm, forderte die Stromversorger auf, "die Mär von der Kostenexplosion durch Erneuerbare Energien nicht noch einmal aufzutischen". Nachweislich seien es nicht die Erneuerbaren gewesen, die für die Preissteigerungen der vergangenen Jahre verantwortlich gewesen seien. "Bevor die Stromversorger nun eine neue Preisrunde einläuten und die Erneuerbaren Energien dafür verantwortlich machen, sollten sie erst einmal die in der Wirtschaftskrise gesunkenen Börsenpreise angemessen an ihre Kunden weitergeben", forderte Ziehm. Sie wies darauf hin, dass die EEG-Umlage nach allen Prognosen nur noch wenige Jahre ansteige, weil insbesondere im Bereich der Fotovoltaik, große Kostensenkungen zu erwarten seien, während Strom aus fossilen Brennstoffen tendenziell teurer werde.
Darüber hinaus verfolge das EEG neben klima- und energiepolitischen, auch industrie- und arbeitsmarktpolitische Ziele. Ziehm wies auch darauf hin, dass gerade die stromintensive Industrie in Deutschland seit Jahren vom EEG profitiere. Ihr Anteil an der Umlage sei auf symbolische 0,05 Cent/kWh begrenzt, während sie gleichzeitig vom Strompreis senkenden Merit-Order-Effekt profitiere. Ziehm: "Was wir derzeit erleben, ist ein neuer Auftakt im Kampf der traditionellen Energiewirtschaft mit ihren Atom- und Kohlekraftwerken gegen den Ausbau der Erneuerbaren, die ihnen jedes Jahr ein Prozent Marktanteil abnehmen. Er ist die Begleitmusik zu den Plänen der zukünftigen Bundesregierung zum Ausstieg aus dem Atomausstieg."
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Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher Markt 4, 10178
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