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Feinstaub: Musterklagen sollen Fahrverbote in Berlin, München und Dortmund erzwingen

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Berlin (ots)

Nach neuer EU-Studie sterben in Deutschland jährlich 65.000   
   Menschen vorzeitig an Luftverschmutzung. Zum zweiten Mal    
   vollständiges Fahrverbot in italienischen Metropolen verhängt
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) will die Einhaltung der seit
dem 1. Januar 2005 EU-weit verbindlichen Luftreinhaltevorschriften
gerichtlich erzwingen. Vor Journalisten in Berlin kündigte die
Umwelthilfe an, entsprechende Klagen für betroffene Bürger vor den
zuständigen Verwaltungsgerichten der Städte einreichen zu wollen, in
denen der Tagesgrenzwert für Feinstäube (PM 10) am häufigsten
überschritten wird. Dies sind derzeit München mit 20, Dortmund mit 19
und Berlin mit 16 bzw. 15 Grenzwert-Überschreitungen (Berlin
Charlottenburg-Stadtautobahn und Friedrichshain-Frankfurter Allee)
seit Jahresbeginn.
Nach einer noch unveröffentlichten EU-Studie über die Folgen der
Luftverschmutzung sterben derzeit in Gesamteuropa jedes Jahr etwa
310.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Ozon und Feinstaub,
davon allein in Deutschland 65.000. Jeden Europäer kostet die
Luftbelastung durchschnittlich neun Monate seines Lebens. Die
Luftverschmutzung erhöht darüber hinaus den Krankenstand in Europa im
Durchschnitt um  einen halben Tag pro Arbeitnehmer und Jahr - was
Verluste in Höhe von 80 Milliarden Euro am EU-weiten
Bruttoinlandsprodukt zur Folge hat.
Angesichts derart dramatischer Befunde hält
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch die derzeitige Hinhaltetaktik
in deutschen Großstädten für unverantwortlich: "Seit 1999 wissen
Bund, Länder und Kommunen, dass zum Jahresbeginn 2005 die
EU-Luftreinhaltewerte verbindlich werden. Der Luftreinhalte- und
Aktionsplan der Berliner Senatsumweltverwaltung dient in Wahrheit
nicht der Luft- sondern der Druckentlastung. Mit vielen im Detail
vernünftigen aber größtenteils in die Zukunft verschobenen
Ankündigungen soll der Druck aus dem Kessel genommen werden."
In Wirklichkeit soll der kürzlich veröffentlichte Berliner Plan
nach Überzeugung der DUH verdecken, dass es über volle drei Jahre
keinerlei zusätzliche Reaktion auf die seit Jahresbeginn geltende
Rechtslage geben soll. "Drei Jahre Nichtstun kann angesichts der
immer dramatischeren Erkenntnisse über die Folgen der
Feinstaubbelastung keinesfalls hingenommen werden. Das ist ein
offener Rechtsbruch. Dieselruß macht die Menschen nicht in drei
Jahren krank, sondern jetzt. Der Plan ist ein Placebo, verpackt in
eine Mogelpackung", so Resch.
Indem die Senatsumweltverwaltung den Plan auch noch von der
Gesetzgebung auf Bundesebene - Plaketten auf Windschutzscheiben und
einem Verkehrsschild "Umweltzone" - abhängig mache, füge sie dem seit
Jahren andauernden unsäglichen Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Bund
und Ländern eine neue Runde hinzu. Der Senat versuche "Kleinmütigkeit
als Entschlossenheit zu verkaufen und die Verantwortung auf andere zu
schieben", kritisierte Resch. Es sei kaum anzunehmen, dass 190.000
Berliner, die in den Hoch-Belastungszonen leben, das einfach
hinnähmen.
Weil es einen Schwellenwert, unterhalb dessen Feinstaubpartikel
als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden könnten, nicht
gebe, sieht die EU zudem eine Verschärfung der Grenzwerte ab 2010
vor. Diese so genannte Stufe 2 der EU-Luftreinhalte-Richtlinie wird
in dem von der Senatsumweltverwaltung veröffentlichten Luftreinhalte-
und Aktionsplan nicht berücksichtigt. Ab 2010 wird danach der
Jahresgrenzwert von 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
abgesenkt, der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
darf dann nur noch 7 statt bisher 35 mal überschritten werden. Resch
erinnerte daran, dass andere EU-Staaten auf die Vorgaben der
EU-Luftreinhalte-Richtlinie mit rigiden Maßnahmen reagierten. Zum
Beispiel Italien. Das Land habe am 13. und 20. Februar Fahrverbote
unter anderem in Rom, Bologna, Ferrara, Parma, Mantua und Ravenna
erlebt. Die Staatsanwaltschaft in Venedig und Florenz habe von den
Behörden detaillierte Informationen verlangt, wie diese die
Gesundheit ihrer Bürger in Zukunft zu schützen gedächten. In Rom
zogen die Menschen am 13. Februar bei strahlendem Sonnenschein mit
dem Fahrrad oder zu Fuß durch die Stadt. Das Fahrverbot galt von 10
bis 18 Uhr. Zuvor waren in der Innenstadt 75 Mikrogramm Feinstaub pro
Kubikmeter Luft gemessen worden. Nach den EU-Bestimmungen ist ein
24-Stunden-Grenzwert von höchstens 50 Mikrogramm erlaubt. Die
Messstelle an der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain zeigte
am 7. Februar einen Tagesmittelwert von 129, die an der Stadtautobahn
in Charlottenburg sogar von 143  Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter
Luft an - eine fast dreifache Überschreitung des zugelassenen
Höchstwertes. Irgendeine Reaktion des Senats, eine Warnung der
Bevöl-kerung oder andere Sofortmaßnahmen zur Entschärfung der
Situation wurden nicht bekannt.
Auf der Bundesebene sieht es kaum besser aus. Finanzminister Hans
Eichel steht trotz klarer Vorgaben des Bundeskanzlers bis zum
heutigen Tag auf der Bremse. Es gibt nach Informationen der Deutschen
Umwelthilfe keinen konkreten Vorschlag für die steuerliche Förderung
von Partikelfiltern, eine Entscheidung hierüber ist frühestens Ende
2005 zu erwarten. Dafür verantwortlich sind auch eine Reihe von
Bundesländern, die zwar den Bund zum Handeln auffordern, selbst aber
keinen Euro zum Schutz ihrer Bürger vor überhöhten
Feinstaubbelastungen in die Hand nehmen wollen.
Unterdessen haben folgende EU-Staaten bereits unterschiedliche
Programme zur beschleunigten Einführung des Partikelfilters
beschlossen: Österreich, Italien, Belgien, Niederlande, Dänemark,
Frankreich und Großbritannien (Wales). Die Initiativen umfassen
Förderprogramme für Pkw, Lkw (3,5 - 40 Tonnen), Busse und
Baumaschinen.
Die Deutsche Umwelthilfe akzeptiert nicht den durchsichtigen
Versuch der Berliner Senatsumweltverwaltung, sich mit der
Verschiebung spürbarer Maßnahmen auf einen Zeitpunkt nach den
nächsten Berliner Wahlen Luft zu Lasten der Gesundheit der Berliner
Bürger zu verschaffen. Das jetzt angestrengte Verfahren im so
genannten einstweiligen Rechtsschutz zielt auf die Beschleunigung
wirksamer Maßnahmen. Dr. Fabian Löwenberg, Rechtsvertreter der DUH
von der Berliner Kanzlei "Löwenberg Rechtsanwälte": "Der
Luftreinhalte- und Aktionsplan sieht zur Verringerung der
Feinstaubbelastung in  der Berliner Innenstadt zwar ab 2008 mittel-
und langfristige Maßnahmen vor. Er verzichtet aber auf alles, was zur
sofortigen Minderung der überhöhten Feinstaubbelastung an den
Hauptverkehrsadern der Berliner Innenstadt geeignet wäre."
Bereits seit Inkrafttreten der Richtlinie 99/30/EG im April 1999
sei dem Senat bekannt, dass ab dem 1. Januar 2005 europaweit die
strengen Grenzwerte für Feinstaub verbindlich einzuhalten seien. Das
Land Berlin habe also fünf Jahre Zeit gehabt, einen effektiven
Aktionsplan zu erarbeiten. Der jetzt vorgelegte Luftreinhalte- und
Aktionsplan für Berlin werde noch nicht einmal seinem Namen gerecht.
Ein Aktionsplan heiße Aktionsplan, weil er Ziele mit kurzfristig
wirksamen Aktionen erreichen solle. Die würden jedoch in dem Plan auf
die Jahre 2008 und 2010 verschoben und auch dann nur halbherzig
angegangen. "Der Senat verkennt bewusst die hohe Dringlichkeit der
Feinstaubproblematik", so Löwenberg. Die Feinstaubbelastungen in der
Berliner Innenstadt verkürzten nach Überzeugung praktisch aller
Fachleute sehr konkret die Lebenserwartung der dort lebenden
Menschen. Deshalb sei es vollkommen unverständlich, dass der Senat
meine, weiter auf Zeit spielen zu können, statt seiner
Vorsorgepflicht nachzukommen. Löwenberg: "Der Luftreinhalte- und
Aktionsplan für Berlin ist in seiner aktuellen Form völlig
ungeeignet, die Gesundheit der Menschen in den kommenden Jahren vor
Feinstaubgefahren zu schützen."
Deshalb sei das Land Berlin verpflichtet, auch so genannte
"planunabhängige Maßnahmen" zu ergreifen, um die Grenzwerte für
Feinstäube einzuhalten und damit eine akute Gesundheitsgefährdung
seiner Bürger zu verhindern. Es gehe darum, effektive und unmittelbar
wirksame Maßnahmen zur gezielten Reduzierung von Feinstäuben zu
ergreifen. Mit seiner bisher demonstrierten Untätigkeit verstoße das
Land Berlin gegen geltendes Recht. Ein weiteres Abwarten sei "den
Berliner Bürgern wegen der akuten Gesundheitsgefährdung nicht
zumutbar. Wir werden daher die Rechte der betroffenen Berliner Bürger
gerichtlich durchsetzen", erklärte Löwenberg.
Konkretes Ziel der Klage sei, das Land Berlin zur Ergreifung von
planunabhängigen Maßnahmen zu zwingen. Die könnten zum Beispiel in
Fahrverboten für Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter bestehen. Oder
der Senat könnte zur Aufstellung eines Aktionsplans verpflichtet
werden, der diesen Namen verdient und konkrete Maßnahmen bereits im
Jahre 2005 vorsieht.
DUH-Anwalt Löwenberg: "Wegen der akuten Gesundheitsgefährdung
unserer Mandanten werden wir selbstverständlich einstweiligen
Rechtsschutz in Anspruch nehmen."

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH),
Fritz-Reichle-Ring 4,
78315 Radolfzell,
Tel.: 07732 / 9995-0,
Fax: 07732 / 9995-77, mobil 0171 / 3649170,
e-Mail: resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4,
10178 Berlin,
Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de

Dr. Fabian Löwenberg, Löwenberg Rechtsanwälte,
Unter den Linden 12,
10117 Berlin,
Tel.: 030 - 20 64 67 30, Fax: 030- 20 64 67 31,
E-mail: Loewenberg@lwbg.de

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