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Der Tagesspiegel

Der Tagesspiegel: Oliver Welke zur ARD-Sportschau: "Mir fehlt in den Spielberichten ein bisschen die Emotion"

Berlin (ots)

Im Tagesspiegel, Berlin, erscheint in der
Samstagsausgabe (1.11.2003) ein Interview mit Oliver Welke. Welke hat
"ran", die Bundesliga-Show , moderiert, solange die TV-Rechte noch
bei Sat 1 lagen, also bis Ende der vergangenen Saison. Im Interview
äußert sich Welke zu den Gründen, warum die ARD mit der Bundesliga-
"Sportschau" so erfolgreich ist, und was "ran" falsch" gemacht hat.
Das Interview ist zu Ihrer Verwendung bei Angabe frei.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Welke, was machen Sie sonnabends ab 18 Uhr 10?
Als es die Jahreszeit noch erlaubte, bin ich mit meinen beiden
Söhnen gern ins Freibad gegangen. Inzwischen kenne ich den Berliner
Zoo auch ganz gut.
Sie geben sich ja richtig Mühe, nicht die ARD-"Sportschau" zu
gucken.
Die erste aller neuen "Sportschauen" habe ich sogar im Kreis
ehemaliger "ran"-Macher verfolgt. Erik Lasar hatte zum Grillen
eingeladen, und wir haben alle schön konstruktiv Kritik geübt.
Zum Beispiel?
Ach, Kleinigkeiten. Die "Sportschau" macht ja im Grunde keine
Fehler. Bei sieben Spielen und verkürzter Sendezeit bleibt doch kaum
noch Platz für etwas anderes als Fußball. Aber ob man unbedingt die
Nostagie-Bilder aus den Siebzigern gebraucht hätte, ich weiß nicht.
Die neue "Sportschau" wirkt auf mich ein bisschen wie der verfilmte
"Kicker". Was soll's: Was Erfolg hat, hat Erfolg.
ARD, wir danken Dir.
Langsam, mir fehlt in den Spielberichten ein bisschen die Emotion.
Allerdings bin ich auf meine alten Tage noch ein richtiger Gerd-
Rubenbauer-Fan geworden. Der gibt so viel Gas, dass sogar ich
aufwache. Und ich bin nicht umsonst der Vorsitzende des Werner-
Hansch-Fanclubs, Sektion Berlin. Ich mag Kommentatoren mit
Wiedererkennungsgarantie.
Wo sind alle Ihre "ran"-Kollegen abgeblieben?
Naja, einige arbeiten weiter für uns in Sachen Champions League.
Werner Hansch und Jörg Wontorra zum Beispiel. Thomas Hermann und
Markus Höhner kommentieren fürs DSF, Jörg Dahlmann bei Premiere.
Haben Sie Ihren Bedeutungsverlust verarbeitet? Bald kennt Sie doch
niemand mehr.
Mir geht's bestens: So viel guten Fußball wie jetzt in der
Champions League durfte ich noch nie am Stück ansagen. Beim Spiel
Stuttgart gegen Manchester war ich im Stadion und habe zum ersten Mal
seit Jahren wieder dieses Gänsehautgefühl gehabt und lag mir mit dem
Reporterkollegen in den Armen. Und die Quote stimmt auch. Wir liegen
im Schnitt bei acht Millionen pro Spieltag, das hat "ran" in den
besten Tagen nicht geschafft.
Sie weinen "ran" keine Träne nach?
Doch, ich weine ein bisschen, weil es das Team in der Form und
Größe nicht mehr gibt. Wir waren eine sehr gute Mannschaft.
Keiner vermisst "ran". Oder?
Die Leute wollen Fußball sehen. Wo er gezeigt wird, das ist egal.
Fußball-Fans wollen die Spiele ihres persönlichen Lieblingsvereins
sehen und vielleicht noch, was die Bayern ge-macht haben. Sie wollen
Emotionen. Sie sind ja keine Fans von Sat1 oder der ARD.
Gar keine Liebesbriefe, wo denn der Welke geblieben ist?
Ein paar schon, aber die Bindung der Zuschauer an den Moderator
wird im Sport generell überschätzt. Okay, manche wünschen einen zum
Teufel, die anderen können nicht genug von einem bekommen. Man darf
nur nicht den Fehler machen, das ernst zu nehmen. So-lange Sie keinen
Schimpansen als Moderator einsetzen, wird sich kaum keiner
beschwe-ren.
Die ARD konnte also mit ihrer neuen "Sportschau" gar nichts falsch
machen.
Sie hätte, wenn sie mich oder Jörg Wontorra geholt hätten. Wenn
man sagt, man kann es besser, dann kann man sich nicht die Verkäufer
des Vorgänger-Produkts holen.
Hat man es wenigstens versucht?
Nein. Das verhindert schon der gegenseitige Respekt. Ich hatte ein
bisschen die Befürch-tung, dass vielleicht nachgetreten würde. Aber
da ist nichts gekommen. Vielleicht auch deshalb, weil einige
ehemalige "ran"-Leute jetzt bei der "Sportschau" sind: Steffen Simon
oder demnächst Monica Lierhaus.
Dort werden sie von den Zuschauern spontan ans Herz gedrückt.
Gleich kommen Sie mir wohl auch noch mit der "guten, alten
Sportschau", dem bestgepflegten Mythos des deutschen Fernsehens.
"Ran" hatte das Problem, dass ein paar Vor-urteile aus den Köpfen
nicht mehr rauszukriegen waren. Zum Beispiel, dass wir zu viel
Schnickschnack und Showelemente gebracht hätten. Und das auch nur,
weil es in den er-sten Jahren diese verdammte Showtreppe gab.
"Ran" hat das Kunststück geschafft, selbst ein falsches Image
aufzubauen?
Nein, aber wir haben es nicht geschafft, das falsche Image auf den
Zuschauer-Festplatten zu löschen.
Was war falsch an "ran"?
Wenn ich mir die "Sportschau" ohne "ran"-Brille ansehe, dann ist
mir natürlich auch eine Sendung lieber, die fast ohne Werbung
auskommt. Wie gerne hätten wir eine solche Sendung gebaut. Aber
wenigstens ein Teil der absurden 80 Millionen Euro Kaufpreis pro
Saison musste ja irgendwie wieder reingeholt werden. Und das
gemeinerweise ganz ohne GEZ-Gebühren.
Die Sorge ist Sat 1 los und freut sich über die Champions League.
Was begeistert Sie dar-an?
Dass ich wieder parteiisch sein kann. Das erfreut mein
Fußballerherz. Außerdem bekomme ich viel mehr von den Spielen mit.
Als "ran"-Moderator wusste ich im Studio nicht mehr als jeder, der
Premiere gesehen hatte.
Schön, Sie riechen Rasen. Aber mussten Sie deshalb Ihren Humor in
der Kabine lassen?
Bei den ersten Sendungen musste ich mich erstmal mit dem Kollegen
Oliver Bierhoff abstimmen. Wenn wir alles im Griff haben, dann werde
ich sicher wieder ein bisschen lustiger. Im Moment funktioniere ich
eher.
Dann bitte ein aktuelles Wort des Funktionsträgers zum Thema
Frauenfußball.
Sie werden's nicht glauben: Ich habe mir das Damen-WM-Finale
angesehen. Bis zum Schluss. Ein tolles Spiel. Großartig.
Wir verstehen. Wenn alle das hohe Lied des Frauenfußballs singen,
dann müssen Sie mit.
Okay: Ich hab' auch auf den "Tatort" danach gewartet.
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an:
Der Tagesspiegel, Ressort Medien, Telefon 030/26009-313
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Telefon: 030-260 09-419
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