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Der Tagesspiegel: Clement sieht Koalitionsvertrag und SPD-Erneuerung kritisch

Berlin (ots)

Der scheidende Wirtschaftsminister Wolfgang Clement
(SPD) sieht die Koalitionsvereinbarung mit der Union und das  
Erscheinungsbild seiner Partei kritisch. "Ich habe immer gesagt, die 
Mehrwertsteuer zum jetzigen Zeitpunkt, in dieser konjunkturellen 
Situation anzuheben, ist falsch. Das würgt die Konjunktur ab", sagte 
Clement dem Tagesspiegel am Sonntag. Es sei in den zurückliegenden 
Wochen "viel zu wenig über das gesprochen, was vor Steuererhöhungen 
kommen muss. Und das sind Reformen, Subventionsabbau und 
Investitionen. Die große Koalition hat sich dem süßen Gift der 
Mehrwertsteuererhöhung scheinbar zu schnell hingegeben." Clement 
betonte aber, dass er es "längerfristig" für richtig hält, die 
Lohnnebenkosten stärker über Steuern zu finanzieren.
Der Erfolg der großen Koalition werde am Wirtschaftswachstum und der 
Beschäftigung gemessen. Dafür braucht es mehr,  als jetzt im Vertrag 
steht", sagte Clement. "Mehr Entfaltungsmöglichkeiten sind dazu nötig
und weniger Bürokratie,  mehr Investitionen, und zwar öffentliche, 
aber vor allem private. Die Strukturen dafür müssen rasch geschaffen 
werden." Manches von dem jetzt Vereinbarten "hätte die SPD auch 
früher und mit sozialdemokratischer Handschrift  haben können", 
kritisierte Clement. "Ich hätte mir das gewünscht und habe auch - 
nicht selten erfolglos - darum  geworben. Dennoch glaube ich, der Weg
ist im Grunde richtig, wenn das auch gewiss noch nicht der große Wurf
ist."  Was Union und SPD vereinbart hätten, reiche nicht zu einer 
grundlegenden Erneuerung. "Das war nur die Pflicht, die das 
Zusammenkommen ermöglicht. Die Kür muss erst noch folgen."
Skepsis äußerte Clement auch angesichts der anstehenden Erneuerung 
der SPD. "Das wird sehr schwer", sagte Clement. "Denn der Druck auf 
die SPD wird zunehmen, von allen Seiten. Die SPD kann eine solche  
Koalition nur aushalten, wenn sie sehr schnell erfolgreich ist, wenn 
es mehr Wirtschaftswachstum gibt und mehr  Arbeitsplätze. Deshalb, 
auch um ihrer selbst willen, muss die SPD alles dafür tun, dass diese
Koalition in sehr  überschaubarer Zeit Erfolg hat."
Die Partei müsse sich öffnen. "Ich meine zum Beispiel all das, was 
mit Kunst und Kultur, mit Bildung und Innovation zu tun hat. Die 
Menschen, die Ideen und Gedanken aus diesem Milieu muss die SPD 
wieder für sich gewinnen."
Die Umstände des Führungswchsels in der SPD waren nicht nach Clements
Geschmack. "Aus jeder Krise kann sich auch eine Chance entwickeln. Im
Moment sieht es so aus, als könne das gelingen. Aber Vorsicht: Es 
gibt in der SPD-Führung nun kaum noch jemanden, der älter als 60 
Jahre ist. Das ist eigentlich absurd: Wir fordern von den Unternehmen
und Institutionen, in der immer älter werdenden Gesellschaft die 
Älteren nicht zu vergessen, sondern zu integrieren. Und in der 
eigenen Partei tun wir so, als ob wir auf diese Generation verzichten
können. Generationenwechsel mit der Brechstange, das funktioniert 
nicht."
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an:
Der Tagesspiegel, Ressort Politik, Telefon 030-26009-389
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622 
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