Börsen-Zeitung: Der Staat als Dealer, Kommentar zum möglichen Ankauf gestohlener Bankkundendaten durch den Staat von Claus Döring
Frankfurt (ots)
Der Staat muss sich an die Rechtsstaatlichkeit halten, für die er selbst bürgt. Er darf nicht ohne Not Geschäfte mit Kriminellen machen. Das gilt auch für den Ankauf gestohlener Kontodaten, selbst wenn sie voraussichtlich Steuerhinterziehung aufdecken könnten. Zwar handelt es sich bei Steuerhinterziehung nicht um ein Kavaliersdelikt. Aber im Rechtsstaat darf der Zweck nicht die Mittel heiligen. Und die akzeptierte Ausnahme davon, wie eine existenzielle Bedrohung für den Staat oder Gefahr für Gesundheit oder Leben seiner Bürger, geht von der angeblich hinterzogenen Summe von etwa 200 Mill. Euro nicht aus.
Aber es gehört auch zur verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik, dass grundlegende Rechtsnormen höher stehen als einzelne Gesetze. Demnach ist und bleibt Steuerhinterziehung Unrecht, auch wenn sie in der Schweiz nicht geahndet wird. Der deutsche Staat muss dafür sorgen, dass die Bürger ihrer Steuerpflicht nachkommen. Dieses Prinzip ist existenziell. Deshalb muss die Bundesrepublik den Druck auf die Schweiz erhöhen, die Steuerschlupflöcher zu schließen. Das kann auch dadurch geschehen, dass sie die Nutzung der Daten-CD erwägt, androht, ankündigt. Bezahlen dafür sollte sie nicht, einen staatlich geförderten Markt für Denunziation kann niemand wünschen. Allein das große Aufsehen dürfte reichen, Steuerflüchtlingen die Schweiz zu verleiden und der Alpenrepublik Dampf zu machen.
Ein gewisser Pragmatismus in strafrechtlichen Fragen setzt nicht gleich den Rechtsstaat aufs Spiel. So darf, wer beispielsweise als "Whistleblower" Korruption aufdeckt, auf Belohnung oder bei eigener Verstrickung auf Strafmilderung setzen. Aber am Ende ist es eine politische Entscheidung. Da zeigte schon der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine eher utilitaristische Einstellung. Als "Geschäft seines Lebens" beschrieb er im März 2008 die Chance, aus 4 Mill. Euro Investition zum Kauf Liechtensteiner Bankendaten einen Ertrag von 300 Mill. Euro zu erzielen. Am Ende war's nur die Hälfte, aber die "Rendite" stimmte noch immer. Bedenken, dass sich der Rechtsstaat zum Hehler mache, wischte Steinbrück als "sophistische Vorwürfe" beiseite. Damit war Finanzminister Wolfgang Schäuble der Weg bereitet, zumal der Jurist schon als Innenminister nicht gerade als Datenschützer auffiel.
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