Rheinische Post: Kommentar: Die Mutter aller Probleme der Union
Düsseldorf (ots)
Bevor man Innenminister Seehofer für seine jüngste Aussage über die Flüchtlingspolitik verbal in der Luft zerreißt, möge man sich seine Worte anschauen. Er sagte: "Die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme." Er hat also nicht behauptet, die Migration insgesamt oder die Migranten seien die Ursache aller Probleme. Das wäre auch völlig unhaltbar. Vielmehr kritisiert er die eigene Regierung und zielt natürlich auf Merkels Flüchtlingspolitik. Das ist ein wichtiger Unterschied. Allerdings ist die Formulierung auch dazu geeignet, die Stimmung aufzuladen und den alten Streit in der Union um die Flüchtlingspolitik wieder eskalieren zu lassen. Das weiß auch Seehofer.
Wir brauchen dringend Deeskalation. Mittlerweile teilt sich ja sogar die bürgerliche Mitte wechselseitig in Rassisten oder Vaterlandsverräter ein. Diese Polarisierung ist gefährlich. Sie stärkt die politischen Ränder und macht die AfD fett. Doch so lange auch Seehofer und Merkel reflexhaft einander widersprechen, sobald es um Fragen der Flüchtlingspolitik geht, kann eine Befriedung nicht gelingen. So ist die Migrationsfrage in jedem Fall die Mutter aller Probleme der Union.
Wenn die Politik mit dem Eifer der Migrationsdebatte die Fluchtursachen bekämpfen, Grenzen sichern, konsequent abschieben und mit klaren Regeln integrieren würde, könnte dies das viel zitierte verlorene Vertrauen der Bürger zurückbringen. Selbstverständlich müssen die Probleme glasklar benannt werden: seit Jahren ausreisepflichtige Straftäter, Integrationsverweigerer, Identitätsbetrüger. Die Probleme dürfen aber auch nicht aus politischem Kalkül größer geredet werden, wie im Juni geschehen, als wegen einer geringen Zahl illegal Einreisender eine Regierungskrise angezettelt wurde.
Statt neuer erbitterter Wortgefechte bedarf es einer nationalen Kraftanstrengung. Es reicht nicht, hier einen neuen Grenzposten aufzustellen und dort mit europäischen Nachbarn über die Verteilung von Flüchtlingen zu verhandeln. Vielmehr sollten sich Merkel und Seehofer mit den Ländern und den Kommunen an einen Tisch setzen. Die wissen, welche Missstände die Menschen wirklich umtreiben und auch wo und wie das Miteinander der einheimischen mit der zugezogenen Bevölkerung gelingt.
Der Rechtsstaat muss wieder mehr Flagge zeigen. Es ist unerträglich, wenn Menschen in Aufmärschen den Hitlergruß zeigen, ohne dafür belangt zu werden, nur weil nicht genug Polizisten da sind. Die Polizei braucht mehr Handhabe, die Verabredung über soziale Netzwerke für die Zusammenrottungen rechtsextremistischer oder linksextremistischer Gruppierungen im Vorfeld erkennen zu können. Dann kann der Rechtsstaat auch eine klare Antwort geben.
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