KBV - Kassenärztliche Bundesvereinigung
Verwaltungsausgaben belasten Gesundheitssystem
Richter-Reichhelm:
"Auch Krankenkassen müssen sparsam haushalten!"
Berlin (ots) - "Wenn alle im Gesundheitswesen weiterhin konsequent sparen müssen, dann können die Verwaltungskosten der Krankenkassen nicht länger außen vor bleiben." Das sagte Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute in Berlin zum Entschluss der Regierungskoalition, auch an den Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen den Sparhebel anzusetzen. Wie eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gestern gegenüber der KBV bestätigte, hält Ulla Schmidt an Plänen fest, die steigenden Verwaltungsausgaben der Krankenkassen im nächsten Jahr gesetzlich zu begrenzen. Die Maßnahme soll Bestandteil eines Vorschaltgesetzes zu einer Reform im Gesundheitswesen sein. Wie rigide die Begrenzung der Kassen-Verwaltungskosten ausfallen wird, war aus dem BMG nicht zu erfahren. Zu Presseberichten vom vergangenen Wochenende, wonach die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen künftig nicht stärker steigen sollen als Löhne und Gehälter, wollte die Ministeriumssprecherin sich nicht äußern.
Laut den Anfang September vom BMG veröffentlichten vorläufigen Einnahmen- und Ausgabenzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2002 liegen die Netto-Verwaltungskosten der Kassen bei knapp vier Milliarden Euro oder 5,16 Prozent des jährlichen GKV- Gesamthaushalts. Die Zahlen wurden auf der Basis der Daten für das erste Halbjahr 2002 errechnet. Die Brutto-Verwaltungsausgaben der Kassen betrugen zuletzt 9,4 Milliarden Euro jährlich. "Die Verwaltungskosten der Kassen pro Mitglied sind im ersten Halbjahr 2002 mit vier Prozent um ein Drittel stärker gestiegen als die Leistungsausgaben pro Versichertem. Die Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung ohne Medikamente und Hilfsmittel stiegen um moderate 2,3 Prozent und damit fast nur halb so stark wie die Verwaltungskosten. Die Krankenkassen könnten sich also finanziell zu einem guten Teil selbst entlasten", brachte Richter-Reichhelm die Kritik der Vertragsärzte an den Kassen auf den Punkt.
"Die gesetzlichen Krankenkassen verfügen derzeit nicht über die im Sozialgesetzbuch vorgeschriebene Mindestrücklage in Höhe von einem Viertel einer Monatsausgabe", erläuterte Richter-Reichhelm weiter. Das seien etwa drei Milliarden Euro. Darüber hinaus sollten sie eine Betriebsmittelreserve in Höhe einer halben Monatsausgabe besitzen. Dies entspreche einer Summe von weiteren rund sechs Milliarden Euro. Auf der Grundlage der Jahresrechnungsergebnisse wiesen die Kassen jedoch zum Stichtag 31. Dezember 2001 nur Finanzreserven von gerundet einer Milliarde Euro auf. "Berücksichtigt man das Halbjahresdefizit der GKV von 2,4 Milliarden Euro, dann sind die Kassen mit 1,4 Milliarden Euro überschuldet, statt das gesetzlich geforderte Guthaben von 9 Milliarden Euro aufzuweisen", führte der KBV-Vorsitzende aus. Die Regierung ziehe nun die Reißleine, indem sie die Kassen zur Eindämmung ihrer Verwaltungsausgaben zwinge.
Zur Frage, ob neue Regeln für den Pharma-Markt zur Eindämmung der Arzneimittelausgaben-Anstiegs ebenfalls Bestandteil des geplanten Vorschaltgesetzes sein sollen, wollte das BMG sich gestern nicht äußern. Wie unter anderem der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten, sollen Pharmahersteller gezwungen werden, den gesetzlichen Krankenkassen Großkundenrabatte zu gewähren. Dies und eine Kappung der Handelsspannen im Arzneimittel-Großhandel sollen rund eine Milliarde Euro Kostenersparnis für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten bringen, so der "Spiegel". KBV-Chef Richter-Reichhelm sagte dazu: "Kostensteuerung im Gesundheitswesen ist eine Aufgabe aller Beteiligten. Wenn die Arzneimittelausgaben - auch als Folge von Marketingstrategien der Pharmaindustrie - steigen, dann muss die Regierung auch die Pharmaunternehmen ernsthaft in die Pflicht nehmen. Die Gewinnspannen der Arzneimittelhersteller und -händler als Sparpotenzial zu entdecken, ist schon lange eine Forderung der KBV."
Für eine umfassende Bewertung der Reformpläne der Regierungskoalition im Gesundheitswesen sei es allerdings noch zu früh, sagte Richter-Reichhelm weiter. Die Krankenkassen versuchten das Ministerium zu Eingriffen in die Gesundheitsversorgung zu bewegen, die auf Widerstand bei den Vertragsärzten stoßen müssten. "Sollte etwa die Idee einer automatischen Aufrechnung von Arzneimittelausgaben gegen Arzthonorare in einem Gesamtbudget verfolgt werden - eine neue Form der Versorgungsrationierung - dann würden wir auf die Barrikaden gehen", so Richter-Reichhelm.
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