Das Schweigen ist vorbei, Kommentar von Katrin Gottschalk
Berlin (ots)
Zehn Frauen reichen im November 2020 bei der Vertrauensstelle Themis eine Beschwerde ein gegen den Intendanten der Berliner Volksbühne. Es geht um Machtmissbrauch und sexualisierte Grenzüberschreitungen. Mitte Januar landet die Beschwerde bei der Berliner Senatsverwaltung für Kultur. Am 12. März veröffentlicht die taz eine Recherche zum Thema. Drei Tage später tritt Klaus Dörr zurück.
Was die Frauen beschreiben, ist eine Kultur der Abhängigkeit und Angst, in der ein Mann seine Macht gegenüber Frauen ausnutzt. Es ist aber auch eine Kultur des Wegschauens. "Wir wussten alle, dass verschiedene Leute davon betroffen sind", sagt eine ehemalige Kollegin von Dörr. Was wusste Berlins Kultursenator Klaus Lederer?
Andrea Koschwitz, ehemalige Chefdramaturgin des Maxim Gorki Theaters, berichtete der taz, sie habe sich 2018 warnend an den Kultursenator gewandt. Er habe nur Gerüchte gehört, nichts Konkretes, sagte Lederer (Linke) dagegen am Montag. Aufgrund von Gerüchten könne er keine Entscheidung treffen. Damit hat er Recht. Dennoch: 2018 war die #MeToo-Debatte in vollem Gange - Gerüchten über den eigens installierten Intendanten kann man nachgehen, die Kultur des Wegschauens durchbrechen.
Erst nach Veröffentlichung der taz-Recherche und einer darauffolgenden Petition zur Absetzung von Klaus Dörr kommt der Kultursenator zu dem Schluss, dass Dörr sein Amt niederlegen müsse. Dabei liegt ihm die Beschwerde der Frauen seit zwei Monaten vor. Zwei Monate, in denen die Frauen weiterhin in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Dörr standen und sich fragen mussten, welche Konsequenzen ihre Beschwerde wohl haben würde.
Time's up. Die Zeiten des Schweigens und Wegschauens bei sexueller Belästigung und Gewalt sind vorbei. Der Fall Klaus Dörr ist vier Jahre nach #MeToo aber auch eine Erinnerung daran, dass sexistische Strukturen weiterexistieren, wenn sie nicht angefochten werden über interne und mediale Aufmerksamkeit.
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