Sieben Millionen afghanischen Kindern ist Zugang zu Schulbildung verwehrt
Oxfam veröffentlicht Studie zum afghanischen Bildungssystem
Nur 20 Prozent der Mädchen erhalten Grundschulbildung
Berlin (ots)
28. November 2006 - Laut einer aktuellen Studie der internationalen Hilfsorganisation Oxfam zum Thema "Gebührenfreie, qualitativ gute Bildung für jedes afghanische Kind" gibt es auch weiterhin gravierende Lücken im afghanischen Schulsystem. Obwohl sich seit 2001 die Einschulungsraten mehr als verfünffacht haben, besuchen mehr als die Hälfte aller afghanischen Kinder noch immer nicht die Schule. Insbesondere Mädchen haben das Nachsehen. Nur 20 Prozent von ihnen besuchen die Grundschule und gerade einmal fünf Prozent haben die Chance, eine weiterführende Schule zu besuchen.
Die Studie warnt, dass auch künftig Millionen afghanischer Kinder der Zugang zu Bildung versperrt bleibt, wenn die internationale Gemeinschaft ihre Entwicklungshilfezusagen nicht einlöst. Bisher gewähren die reichen Länder Afghanistan pro Jahr lediglich 126 Millionen Dollar Entwicklungshilfe für den Bildungssektor. Zwar hat sich die Zahl der Schüler seit dem Ende der Talibanherrschaft 2001 verfünffacht. Damals gingen rund eine Million Kinder zur Schule, 2003 schon 3,1 Millionen und gegenwärtig fünf Millionen Kinder. Doch ist das immer noch weniger als die Hälfte der afghanischen Kinder im Schulalter.
Darüber hinaus weist der Unterricht an vielen Schulen erhebliche Mängel auf. Ein Großteil der Lehrer ist nur unzureichend ausgebildet. Eine Erhebung in Nord-Afghanistan hat gezeigt, dass nur fünf Prozent der Lehrer in der Lage sind, die Prüfungen ihrer Schüler selbst zu bestehen.
"Die Ausbildung afghanischer Kinder ist entscheidend für die Verbesserung ihrer Lebenssituation und für den Wiederaufbau und die zukünftige Entwicklung des Landes. Aber Armut, hohe Schulgebühren und lange Schulwege führen dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Die Kinder wiederum, die überhaupt die Gelegenheit haben, eine Schule zu besuchen, müssen sich mit schlecht ausgebildeten Lehrern, heruntergekommenen Gebäuden und unzureichenden Schulbüchern zufrieden geben. Wenn Afghanistan jemals seine ehrgeizigen Ziele im Bildungssektor erreichen soll, müssen die reichen Länder ihre Entwicklungshilfe dramatisch erhöhen", erläutert Grace Ommer, Oxfam-Vertreterin in Afghanistan.
Die Oxfam-Studie zeigt, dass auch die schulische Infrastruktur dringend verbessert werden muss. Mehr als die Hälfte der afghanischen Kinder wohnen zu weit von einer Schule entfernt und können darum nicht am Unterricht teilnehmen. Die Hälfte der afghanischen Schulgebäude ist baufällig, ein Großteil der Schulen verfügt weder über fließendes Wasser noch sanitäre Einrichtungen und rund zwei Millionen afghanischer Kinder werden gar in Zelten oder im Freien unterrichtet.
Oxfam schätzt, dass rund 53.000 ausgebildete Grundschullehrer sofort und weitere 64.000 Lehrer in den nächsten fünf Jahren benötigt werden. Da bisher nur weniger als 30 Prozent der Lehrkräfte weiblich sind, werden insbesondere Lehrerinnen benötigt. Angesichts schlechter Arbeitsbedingungen und niedriger Gehälter wird es allerdings schwierig sein, neue Lehrkräfte zu finden; die Motivation ist gering. So erhalten beispielsweise Lehrer in der Provinz Daikundi in Zentral-Afghanistan durchschnittlich nur 38 Dollar pro Monat und müssen häufig auch noch Bestechungsgeld zahlen, bevor sie ihr Gehalt ausgezahlt bekommen.
Des Weiteren wurde festgestellt, dass in einigen Regionen fast 85 Prozent der Schulen Gebühren erheben, obwohl der Schulbesuch eigentlich für alle Schüler kostenfrei sein sollte. Durchschnittlich werden sechs Dollar pro Jahr verlangt, verglichen mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von nur 293 Dollar.
Um sicherzustellen, dass die afghanische Regierung die Millennium-Entwicklungsziele erreicht, fordert Oxfam, dass
- die reichen Länder innerhalb der nächsten fünf Jahre 563 Millionen Dollar in den Wiederaufbau von 7.800 Schulen und 210 Millionen Dollar in die Produktion neuer Schulbücher investieren;
- alle Schulgebühren abgeschafft werden sowie Schuluniformen, Bücher und Transportkosten soweit wie möglich subventioniert werden;
- in den nächsten fünf Jahren mindestens 116.000 Lehrer/innen ausgebildet werden, die Hälfte davon Frauen;
- alle Schüler mittags kostenfreie Verpflegung erhalten;
- die afghanische Regierung besser mit Gewerkschaften kooperiert, um sicherzustellen, dass Budgetierung und Implementierungsreformen dazu beitragen, die Verschwendung von Geldern und Korruption zu verringern, Planungsprozesse zu verbessern und dass alle afghanischen Schulen gleiche finanzielle Mittel erhalten;
- die Geber ihre Entwicklungshilfe für den Bildungssektor über das afghanische Bildungsministerium leiten, um eine verbesserte Koordinierung zu gewährleisten.
Anmerkungen:
Gebernationen und die internationale Gemeinschaft haben den afghanischen Bildungssektor mit 125,6 Millionen Dollar unterstützt. Die größten Geber sind USAID und die Weltbank. Die militärischen Einsatzkräfte in Afghanistan finanzieren ebenfalls Bildungsprogramme.
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Basira Mojaddidi in Kabul, +93 702 817 33 bmojaddidi@oxfam.org.uk
Kerstin Löhr, Oxfam Deutschland, 030 4530 6944, kloehr@oxfam.de
Der Link zur kompletten Studie findet sich unter www.oxfam.de.
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