Berliner Morgenpost: Neue Hoffnung für Afghanistan - Kommentar
Berlin (ots)
Seit sieben Jahren sind Nato-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Sie kamen, um nach dem Sturz der mittelalterlichen Taliban-Schreckensherrschaft den Frieden zu sichern. Die Hoffnungen haben getrogen. Aus dem Friedenseinsatz ist längst ein Kampf-, ja ein Kriegseinsatz geworden. Dass die Taliban wieder Oberwasser gewonnen haben, ist weniger ihrer eigenen Stärke, mehr den Versäumnissen des Westens geschuldet. Von Anfang an wurde viel zu stark auf die militärische Karte gesetzt und zu zögerlich auf einen landesweiten zivilen Wiederaufbau. Beides wäre von Beginn an in einer entschlossenen Doppelstrategie notwendig gewesen, um die Herzen der Afghanen und damit den Frieden zu gewinnen. Dazu konnten sich die Demokratien des Westens in ihrem Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch am fernen Hindukusch nicht durchringen. Deshalb herrscht im Land keine Sicherheit. Die aber ist Voraussetzung, damit sich die Lebensverhältnisse für die Menschen sichtbar verbessern, das Vertrauen in die Kabuler Regierung wächst und der Einfluss der Taliban schwindet. Nach sieben Jahren steht Afghanistan auf der Kippe. Und die Nato muss um ihre Glaubwürdigkeit als schlagkräftiges Bündnis bangen. Das Treffen ihrer Verteidigungsminister in der vergangenen Woche in Krakau könnte die Wende in der bislang so wenig erfolgreichen Einsatzstrategie in Afghanistan eingeleitet haben. Der alte und neue amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates weckte solche Hoffnung, als er an die Verbündeten appellierte, ihre militärischen und zivilen Anstrengungen zu verstärken. Das sind neue Töne aus Washington, hatte die Bush-Regierung doch vorrangig auf das Militär gesetzt. Mehr Soldaten sind zweifellos nötig, auch um die Präsidentschaftswahl im August abzusichern. Aber parallel muss der Wiederaufbau im ganzen Land vorankommen. Dafür ist mehr Geld nötig. Auch um den Feldzug gegen den Drogenanbau zu gewinnen: Nur wenn den Bauern ein finanzieller Anreiz geboten wird, Getreide statt Mohn anzubauen, schwindet die Herrschaft der Drogenbarone. Ebenso notwendig ist mehr Ausbildungspersonal, um die heimische Armee und Polizei zu schlagkräftigen Truppen zu machen, die ihr Land in ein paar Jahren allein sichern können. Das alles ist nicht neu. Aber erst jetzt, mit dem neuen US Präsidenten Barack Obama, wächst die Hoffnung auf einen einvernehmlichen Strategiewechsel, der zu dem überfälligen gleichgewichtigen Einsatz von Soldaten und zivilen Helfern führt. Damit würde auch eine realistische Perspektive für die Exit-Strategie eröffnet, wann und wie die Nato ihre Soldaten vom Hindukusch zurückziehen kann. Doch alle neuen Anstrengungen der Nato, zu denen schon die in Krakau verkündete Aufstockung des deutschen Kontingents um 600 Soldaten zählt, werden nur zum Ziel führen, wenn auch die afghanische Regierung ihren Teil leistet. Der muss vor allem darin bestehen, die Korruption zu bekämpfen; mit Vorrang die in den eigenen Reihen.
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