Berliner Morgenpost: Ohne Provokationen geht es nicht (Kommentar)
Berlin (ots)
Es geht also wieder los: Von heute an wollen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Arbeit niederlegen. Sie treten in den Warnstreik, damit sich endlich etwas bewegt bei den Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitgebern - also dem Bund und den Kommunen - und den Gewerkschaften auf der anderen Seite. Nahverkehr, Kindertagesstätten, Stadtreinigung können betroffen sein. Natürlich nicht überall in Deutschland und nicht zeitgleich, aber so, dass es die Menschen spüren und ärgerlich werden. Auch in Berlin. Und das passiert, wenn beispielsweise Operationen in Kliniken abgesagt werden müssen, wenn der Müll nicht abgeholt wird, die Kindertagesstätten an einigen Vormittagen geschlossen bleiben oder das Bürgeramt unverhofft geschlossen ist. Unangenehme Zeiten stehen bevor - mehr aber auch nicht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der Verhandlungsführer für die Arbeitgeber, übertreibt nämlich in seiner Empörung. Eine "gezielte Provokation" sei der angekündigte Warnstreik, schimpfte er gestern. Doch Warnstreiks während stockender Verhandlungen, die öffentliche Aufmerksamkeit, ja die Provokation gehören zu Tarifverhandlungen dazu. Der Innenminister hat bislang noch kein Angebot vorgelegt, sondern weist die Forderungen der Gewerkschaften stets als viel zu hoch zurück. Gerade angesichts der Wirtschaftskrise sei es nicht angemessen, ein Plus von insgesamt fünf Prozent zu fordern. Die Forderung der Arbeitnehmervertretungen setzt sich aus mehreren Punkten zusammen - von Lohnerhöhungen bis zur Übernahme von Auszubildenden. Das wird in seiner Gesamtheit nicht in Erfüllung gehen, aber ein bisschen mehr muss es im öffentlichen Dienst schon sein. Es geht nämlich nicht an, mit Blick auf die Wirtschaftskrise den Beschäftigten eine Steigerung ihres Einkommens zu verweigern. Wer motivierte Mitarbeiter in den öffentlichen Krankenhäusern, Kindertagesstätten, in Bussen und Straßenbahnen haben will, der muss ihre Arbeit auch anständig entlohnen. Und nicht nur Hoteliers bei der Mehrwertsteuer für Übernachtungen ohne Frühstück entlasten. Sicherlich, bei der Diskussion über 1,5 oder 2,5 Prozent mehr darf nicht vergessen werden, dass die Folgen nicht nur der Bund, sondern vor allem die schon jetzt überforderten Kommunen tragen müssen. Die Städte und Gemeinden werden dieses Jahr ein Rekorddefizit von zwölf Milliarden Euro einfahren. Wenn jetzt noch die Gehälter steigen, dann kommen Potsdam, Frankfurt & Co an ihren Grenzen, dann sind sie kaum noch handlungsfähig. Die Folge wäre, dass noch mehr Schwimmbäder geschlossen, die Öffnungszeiten in Museen reduziert oder die Eintrittsgelder erhöht werden. Aber auch, dass die Gebühren für die Müllentsorgung oder die Preise im Nahverkehr steigen. Das alles lässt sich nur verhindern, wenn der Bund endlich nicht mehr alle Aufgaben auf die Länder und Kommunen abwälzt und die das dann auch noch finanzieren müssen. Dann ist auch eine maßvolle Lohnerhöhung möglich.
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