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WAZ: Die Wahl in NRW und ihre Folgen: Jürgen Rüttgers! - Leitartikel von Uwe Knüpfer

Essen (ots)

Nordrhein-Westfalen bekommt einen neuen
Ministerpräsidenten und die CDU hat einen neuen starken Mann. Jürgen
Rüttgers hat der CDU die Macht in ihrem Ursprungsland zurück erobert.
Nach 39 Jahren Opposition! Damit hat er Geschichte geschrieben. Nicht
nur Landesgeschichte, wie die rasche Reaktion des Kanzlers und Franz
Müntefe-rings zeigt. Münteferings und Schröders Entschluss, nun auch
die Entscheidung im Bund zu suchen, kommt einer Panikreaktion gleich.
Nach einer beispiellosen Serie von Wahlniederlagen in den Ländern hat
Müntefering offenbar beschlossen: genug ist genug. Dem scheinbar
unaufhaltsamen Niedergang, ja dem inneren Zerfall der ältesten
demokratischen Partei in Deutschland hat er nicht länger zusehen
wollen. Die SPD-Führung setzt auf Alles oder Nichts. Die
sozialdemokratisch geführte Bundesregierung begeht politischen
Selbstmord, um dem quälenden Siechtum der SPD ein Ende zu machen.
Gerhard Schröders kurzer Auftritt am Wahlabend hatte Größe. Er stehe
zur Notwendigkeit der von seiner Regierung eingeleiteten
Reformpolitik, sagte der Kanzler. Doch eine solche Politik müsse sich
auf eine solide Mehrheit stützen. Wenn er die nicht mehr habe, dann,
so muss man Schröder wohl verstehen, sollen die anderen den Stab
übernehmen. Das bedeutet allerdings auch: Die SPD wird nicht mit
einer neuen Botschaft und nicht mit einer neuen Mannschaft in den
Wahlkampf ziehen. Es wird nicht um die Frage gehen: Bleibt
Deutschland auf Reformkurs? Sondern um die Frage, wer dabei am Steuer
steht. Also wird es darauf ankommen, wem die Wähler am ehesten
zutrauen, mutig und solide Kurs zu halten. Hier kommt Jürgen Rüttgers
ins Spiel. Hier rückt Nordrhein-Westfalen erneut ins Rampenlicht.
Denn im Bund werden, nach Lage der Dinge, Schröder und sein
Vizekanzler Fischer gegen Angela Merkel und Guido Westerwelle
antreten. Merkel war immerhin schon Ministerin, doch Westerwelle
fehlt jede Regierungserfahrung. Den Beweis, dass CDU und FDP ein
großes, in Resignation erstarrtes Land in Schwung zu bringen
vermögen, kann Merkel vorerst nicht führen. Diesen Beweis muss Jürgen
Rüttgers antreten. Die Wähler in Nordrhein-Westfalen haben der CDU
und Rüttgers persönlich einen gewaltigen Vertrauensvorschuss gewährt.
Als erfahrener Politiker weiß Rüttgers, wie schnell der Wind sich
wieder drehen kann. Wenn es ihm gelingt, bis zum Herbst an Rhein und
Ruhr Aufbruchstimmung zu verbreiten, wird Angela Merkel einem
Wahlsieg auch im Bund entgegenschweben. Sollte Rüttgers jedoch Zeit
vertun und auf den ersten Metern stolpern, werden sich viele Wähler
sagen, nicht nur in NRW: die anderen machen es auch nicht besser.
Hierin liegt die letzte, die wohl einzige Wiederwahlchance von
Schröder und Fischer. Rüttgers ist in NRW gelungen, woran vor ihm
Heinrich Köppler, Kurt Biedenkopf, Bernhard Worms und Norbert Blüm
gescheitert sind: er hat die SPD von einem Sockel gestoßen, der den
Sozialdemokraten zu gehören schien. Peer Steinbrück hat nicht
verhindern können, was sich seit langem abgezeichnet hat und ihm
nicht anzurechnen ist: den Absturz der einst so stolzen und starken
rheinisch-westfälischen Sozialdemokratie. Steinbrück, eigentlich ein
Karrierebeamter, wurde Politiker erst auf dem zweiten Bildungsweg.
Doch in diesem Wahlkampf hat er Witz und Klasse bewiesen. Und sich
seiner Partei damit für alles Mögliche empfohlen. Jenseits des
Norddeutschen Steinbrück fehlt es der SPD in Düsseldorf an
gewinnenden Personen und frischen Ideen. Steinbrück glänzte wie eine
Goldkrone auf einem morschen Zahn. Die Erneuerung der SPD wird mühsam
werden. Sie muss beginnen mit der Suche nach Personen. Und nach der
verlorenen Seele der Partei.

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