Giordano: "Grass hat rechtzeitig bekannt"
Baring: "Typische Verdrängung"
Bonn (ots)
Der Publizist und Schriftsteller Ralph Giordano hält Günter Grass auch nach dessen jüngstem Bekenntnis, dass er als Jugendlicher in der Waffen-SS gedient habe, für einen integeren Schriftsteller. Das sagte er am Freitag in einem PHOENIX-Interview. "Es ist richtig, man (...) kann ihm zum Vorwurf machen, dass er damit so lange gewartet hat", sagte Giordano. Er selbst tue dies aber nicht. Wörtlich sagte Giordano: "Grass hat rechtzeitig bekannt." Millionen von Deutschen hätten dies nicht getan. Die Argumentation, Grass dürfe keine Kritik an der Gesellschaft üben, weil er der Waffen-SS angehört habe, empfinde er als "infam", so der Publizist. Giordano: "Grass hatte jedes Recht, die Bundesrepublik zu kritisieren." Anders äußerte sich der Historiker Arnulf Baring ebenfalls am Freitag Abend im PHOENIX-Interview. Entscheidend in der Diskussion sei "die Frage, was Grass (...) nach 1945, vor allem nach 1960 über Jahrzehnte hin als moralische Instanz in diesem Lande bedeutet und in Anspruch genommen hat." Diesbezüglich seien Grass "kräftige Vorwürfe" zu machen. Baring sprach von "typischer Verdrängung" und erklärte: "Grass hat, wie ich glaube, in der öffentlichen Meinungsprägung eine (...) verhängnisvolle Rolle gespielt, weil er mit seinen eigenen Problemen, seiner eigenen Erinnerung nicht zu Rande gekommen ist, bis in diese Tage." Grass' literarisches Werk sieht Baring hingegen von den politischen Streitereien nicht berührt. Zu der Frage, ob Grass seine Ehrenbürgerschaft der Stadt Danzig zurückgeben solle, sagte der Historiker: "Nein, denn er hat für die deutsch-polnischen Beziehungen viel getan."
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