Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Statement zu Koalitionsverhandlungen: Transformationsforscher fordert neue Strukturen der ressortübergreifenden Zusammenarbeit
„Wichtiger als ein Klimaministerium ist, dass alle Ressorts gemeinsam an der sozial-ökologischen Transformation arbeiten“
Berlin, 9. November 2021 – Alle drei Parteien der möglichen Ampelkoalition bekennen sich zum Pariser Klimaziel. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung, aber noch nicht hinreichend für aktiven und ambitionierten Klimaschutz. Dr. Florian Kern, Leiter des Forschungsfelds „Umweltökonomie und Umweltpolitik“ am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) erläutert, welche politischen Strukturen die neue Regierung schaffen sollte, um Klimaschutz wirksam und sozialverträglich zu gestalten.
„Damit Deutschland einen fairen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, muss ein gewaltiger Ruck durch die Gesellschaft gehen. Roter Faden der neuen Bundesregierung muss das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation sein, damit die notwendige Energie-, Mobilitäts- und Ernährungswende nicht die bestehenden sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich vergrößert. Eine sozial gerechte Transformation im Sinne des ‚leave no one behind‘ des European Green Deals ist nicht nur normativ geboten, sondern auch strategisch wichtig. Fehlender gesellschaftlicher Rückhalt für den Wandel könnte sonst zu vielen Konflikten und Verzögerungen führen, die das Erreichen der Klimaziele erschweren.
Die neue Koalition braucht verbindliche Strukturen für eine effektive Zusammenarbeit der Ministerien
Ein Klimaministerium mit Vetorecht – das fordern die Grünen in ihrem Klimaschutz-Sofortprogramm. Wie FDP-Chef Christian Lindner durchscheinen ließ, ziehen die Verhandlungspartner ein Klimaministerium zumindest in Betracht. Doch dabei darf eine andere Forderung der Grünen nicht unter den Tisch fallen: Ihr 100-Tage-Programm sieht auch eine Klima-Task-Force vor, in der sich die Ministerien wöchentlich abstimmen. Die Idee geht in die richtige Richtung: Zu oft mussten wir in den letzten Jahren beobachten, wie sich unterschiedliche Ministerien gegenseitig blockierten – etwa Umwelt- und Wirtschaftsministerium.
Wenn die neue Koalition Strukturen für eine bessere ressortübergreifende Zusammenarbeit schafft, dann darf sie dabei den Fehler von Merkels Klimakabinett nicht wiederholen: Nur die Ressorts Umwelt, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr, Bau und Landwirtschaft waren am Klimakabinett beteiligt. Sie erarbeiteten Beschlüsse über den Strukturwandel – in Abwesenheit des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Für eine sozial verträgliche Transformation müsste jedoch gerade auch dieses Ministerium mit an den Verhandlungstisch. Unser Vorschlag ist daher, das Klimakabinett zu einem Transformationskabinett zu erweitern. Das Bundeskanzleramt müsste darin anders als bisher aber nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Fachministerien suchen, sondern aktiv auf ambitionierte Lösungen drängen. Die Forderung nach einem Klima-Kanzleramt ist daher sicher richtig und könnte auch eine eigens einzurichtende Klima-Task-Force umfassen.
Bürgerräte sollten das Kabinett flankieren
Beispiele aus Irland und Frankreich oder auch der bundesweite Bürgerrat Klima zeigen, dass wissenschaftlich begleitete Bürgerräte ambitionierte Lösungen und tragfähige Kompromisse erarbeiten können. Insofern ist es unbedingt zu begrüßen, dass sich die Ampel-Parteien im Sondierungspapier darauf einigen konnten, dass Bürgerräte und andere Beteiligungsformate dem Parlament zuarbeiten sollen: Ein wichtiger Baustein, um die nötigen Transformationsprozesse wie die Mobilitätswende, energetische Sanierungen und den zügigen Ausbau von Erneuerbaren Energien voranzubringen.“
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Dr. Florian Kern ist Transformationsforscher am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin. Hier leitet er seit 2018 das Forschungsfeld „Umweltökonomie und Umweltpolitik“. Er studierte Politikwissenschaften, Umweltpolitik und Innovationspolitik in Berlin, Dänemark und England und forscht unter anderem zu Nachhaltigkeitstransformationen, Umwelt, Energie- und Klimapolitik.
Die Empfehlungen zu neuen institutionellen Strukturen für eine bessere ressortübergreifende Klimapolitik basieren auf dem Positionspapier „ Transformation? Ja, aber gerecht! Neue institutionelle Strukturen für eine Just Transition“ sowie dem Projekt Neue gesellschaftliche Allianzen für Wege einer „Just Transition“ in Deutschland.
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Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung. Das IÖW ist Mitglied im „Ecological Research Network“ (Ecornet), dem Netzwerk der außeruniversitären, gemeinnützigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschungsinstitute in Deutschland. www.ioew.de
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