Informatik-Professoren kritisieren die neuen IT-Studiengänge: "Ein erfolgreicher Bachelor-Studiengang kann keine Spezialfähigkeiten vermitteln"
München (ots)
COMPUTERWOCHE-Roundtable: Hochschullehrer befürchten Schmalspurinformatiker und unselbständige Berufsanfänger / Personal- Manager fordern dagegen, die Chance zu schnelleren Studienabschlüssen und qualifizierteren Absolventen zu nutzen
München, 27. August 2004 - Der Diplomstudiengang Informatik hat ausgedient. Bis 2010 wird es in Europa nur noch zweistufige, vergleichbare und international anerkannte Informatik-Studiengänge geben. Während die Wirtschaft den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen zunehmend positiv gegenübersteht, befürchten Hochschullehrer, dass die kürzeren Hochschul-Aufenthalte und das verschultere System die künftigen Absolventen zu Schmalspurinformatikern und unselbständigen Berufsanfänger machen. Diese Positionen wurden bei einer Diskussionsrunde der IT- Wochenzeitung COMPUTERWOCHE (Ausgabe 35/2004, EVT 27. August) deutlich.
Für die Personal-Manager der Unternehmen liegen die Vorteile der neuen Studiengänge klar auf der Hand: Die straffere Struktur der Studiengänge führt zu einer verkürzten Studiendauer von drei (Bachelor) beziehungsweise fünf Jahren (Master). Zudem erhofft sich die Wirtschaft von der Umstrukturierung der Studiengänge eine größere Praxisorientierung der Informatiker, etwa mehr sprachliche und methodische Kompetenz. Und schließlich: Einheitliche Studienabschlüsse in Europa werden eine bessere internationale Vergleichbarkeit ermöglichen. Die Vorzüge der neuen Studiengänge überwiegen für die Unternehmen auch etwaige Nachteile, wie ein schlankeres Wissen der Absolventen. "Wir sind bereit, beim Bachelor gewisse Abstriche hinzunehmen. Das Lernen ist ja mit dem Bachelor oder Master nicht zu Ende, heute lernt man das meiste nach der Hochschule", meint Axel Kersten, Leiter Personal- Marketing/Recruiting bei der SAP AG beim COMPUTERWOCHE-Roundtable.
Ganz anders beurteilen die Hochschullehrer die neuen Studiengänge in der Informatik. Ein erfolgreicher Bachelor-Studiengang könne keine Spezialfähigkeiten vermitteln, meint etwa Martin Leitner, Dekan Informatik/Mathematik an der FH München. "Wir werden eine Verkürzung der Studiendauer erreichen, aber nicht bei gleich hoher Qualifikation", argumentiert er. "Da kommen andere Absolventen heraus." Auch Josef Nossek, Studiendekan an der TU München, ist skeptisch: "Wenn man mit einer kürzeren Ausbildung wie dem Bachelor auf Berufsbefähigung zielt, kann die Breite nicht mehr so groß sein wie beim Diplom. Die Berufsbefähigung ist für ein schmäleres Feld gegeben." In dem reglementierteren Studiensystem sieht Nossek außerdem die Gefahr der Unselbständigkeit. Wolle man eine Übereinstimmung zwischen nomineller und tatsächlicher Studiendauer herstellen, so könne dies nur mit einer rigorosen Prüfungsordnung erreicht werden. Letztlich bedeutet das aber eine Verschulung des Studiums, was sich auch auf die Absolventen auswirke: "Sie sind zwar stärker an die Hand genommen und schulmäßiger betreut worden, aber auch weniger selbständig", so die Meinung von Nossek.
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ots-Originaltext: Computerwoche
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