Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Habeck in Erklärungsnot
Leitartikel von Jan Dörner

Berlin (ots)

"Der Einstieg in die Zukunft des Heizens ist geschafft", ließ der Bundeskanzler nach der Kabinettssitzung über sein Twitter-Profil jubeln. Die Ministerrunde hatte zuvor die Regeln für den Austausch von Gas- und Ölheizungen ab dem Jahr 2024 beschlossen. Wirtschaftsminister Habeck konnte damit das Grundgerüst der Förderung präsentieren, die Hausbesitzer erwarten können, wenn sie das alte Gerät gegen ein klimafreundlicheres Modell ersetzen.

30 Prozent der Kosten übernimmt der Staat, in manchen Fällen sogar die Hälfte. Das Gesetz gilt außerdem nicht für Sozialhilfeempfänger und für über 80-Jährige. Diese Ankündigung wird viele Menschen ruhiger schlafen lassen - oder ihnen zumindest die Möglichkeit geben, bevorstehende Kosten zu kalkulieren.

In den vergangenen Wochen war die Angst geschürt worden, dass Habecks Heizungspläne manchen das Haus oder die Altersvorsorge kosten könnten. Das soll die Förderung der Bundesregierung verhindern. Die Feierlaune von Kanzler Olaf Scholz versprühte Habeck nicht, als er seine Pläne an der Seite von SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz präsentierte. Zu heftig waren die Kämpfe der vergangenen Wochen, weitere Auseinandersetzungen stehen ihm bevor. Habeck galt einmal als der Ampel-Minister, der mit sorgenvoll zerknautschter Miene die Zwänge und Nöte der Regierungspolitik am besten erklären konnte. Deutlich besser als der Kanzler. Das war vor mehr als einem Jahr, zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Seitdem reihte sich Krisensitzung an Krisensitzung, mit jeder schien der Grünen-Politiker dünnhäutiger zu werden. Dabei verlor der Wirtschaftsminister auch seine Fähigkeit, die Politik der Koalition anschaulich zu erläutern.

Stattdessen machte Habeck Fehler, verhedderte sich mit seinem Ehrgeiz, den Kampf gegen die akute Energiekrise mit dem Kampf gegen den Klimawandel zu verbinden. In der Bevölkerung hinterließ er das Bild eines Politikers, der den klimafreundlichen Umbau des Wohnens mit der ideologischen Brechstange in kürzester Zeit erzwingen will - und zwar ohne Rücksicht auf Verluste und allein auf ihre Kosten. Anstatt aber bei den Bürgerinnen und Bürgern um seine Politik, für den Klimaschutz im Gebäudebereich und den Austausch von Gasheizungen zu werben, beklagte Habeck sich lieber öffentlich über den Zustand der Koalition. Es knirscht im Gebälk des Ampel-Bündnisses. Das zeigte sich auch am Mittwoch umgehend nach Beschluss der Heizungspläne im Bundeskabinett: FDP-Chef und Finanzminister Lindner stimmte den Plänen zwar zu, gab aber gleichzeitig seinen Widerstand zu Protokoll.

Die von Lindner verfasste Notiz ist der klare Kampfauftrag an die FDP-Fraktion im Bundestag, Habecks Pläne zum Heizungsaustausch im Gesetzgebungsverfahren noch einmal kräftig in die Mangel zu nehmen. Ausdrücklich mahnt die FDP einerseits die Bezahlbarkeit der Pläne an, andererseits sollen die finanziellen Belastungen für Hausbesitzer und Mieter so gering wie möglich ausfallen. Angesprochen auf diese Unstimmigkeiten in der Koalition, wirkt Habeck ratlos. Es bleiben also offene Fragen.

Größer als die Auseinandersetzung mit der FDP ist jedoch die Aufgabe des Wirtschaftsministers, seine Politik besser zu erklären, zu begründen, durch staatliche Hilfe abzusichern. Denn wenn er den Menschen nicht die Angst vor dem Weg zur Klimaneutralität nimmt, wird er sie für diese große Aufgabe verlieren.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 19.04.2023 – 19:10

    Berliner Morgenpost: Für Bär und Wolf ist es zu spät / Kommentar von Oliver Stöwing

    Berlin (ots) - Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß, war ein Spruch der 80er-Jahre-Ökobewegung. Man muss ihn abwandeln: Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner will ihr begegnen. Denn wir haben das Erlebnis in der Natur zum Radausflug ins Naherholungsgebiet romantisiert und die gnadenlose Seite der Natur verdrängt. Die Bärenmutter in Trentino, die ...

  • 18.04.2023 – 19:10

    Berliner Morgenpost: Mehr Technologieoffenheit / Leitartikel von Jason Blaschke zu Heizungen

    Berlin (ots) - Erst die horrenden Energiepreise 2022, jetzt der Heizungshammer der Ampelkoalition. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher trifft es derzeit mit voller Härte. Noch vor ein paar Jahren war der Einbau neuer Gas- oder Ölheizungen kein großes Thema. Mit rund 7000 bis 10.000 Euro sind diese deutlich preiswerter als eine Wärmepumpe oder Pelletheizung und ...