Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Präsentation der SPD: Nicht nur Heulsusen - Leitartikel von Angela Gareis
Essen (ots)
Wenn das Kabinett in Meseberg zur Klausur zusammentritt, um die zweite Halbzeit der Regierung zu planen, dann wird keiner der anwesenden Sozialdemokraten anfangen loszuheulen. Parteivize Peer Steinbrück hat trotzdem Recht, wenn er die Gesamtdarstellung seiner Partei mit einem Wort umschreibt, das man häufig in Kindergärten hört. Heulsuse.
Nach sieben Jahren Rot-Grün und zwei Jahren Schwarz-Rot bejammern noch immer zahlreiche Sozialdemokraten, dass Gerhard Schröder mit der Agenda ihren Ruf als Wohltäter ruiniert habe. X-mal kann Fraktionschef Peter Struck seinen Abgeordneten einhämmern, sie seien 222 Führungskräfte der SPD, die den Menschen die Politik vernünftig erklären sollten. Noch immer entschuldigen sich viele für die Reformen, statt Aufschwung und sinkende Arbeitslosenzahlen als Erfolge zu reklamieren.
Dass die Riege der SPD-Minister wesentlich prägnanter besetzt ist als die Riege der Unionsminister (Ursula von der Leyen ausgenommen), erfüllt zahlreiche Genossen mit Furcht. Womöglich suchen viele ausgerechnet bei den kompetenten Köpfen der Partei die Schuld dafür, dass ihre Umfragewerte so schlecht sind, dass die Linke existiert, und dass Angela Merkel populärer ist als alle Kanzler der Republik zuvor. Dabei übersehen sie, dass Merkel im Grunde einen sozialdemokratischen Kurs verfolgt. So schlecht kann der also nicht sein. Erstens.
Und zweitens könnte Merkel, die ihre Partei ziemlich radikal reformiert, eines Tages in ähnliche Schwierigkeiten geraten wie seinerzeit Schröder. Der zu beobachtende Rollentausch, die SPD steht für Wirtschaftskompetenz und die Union für moderne Gesellschaftspolitik, birgt schwer kalkulierbare Risiken. Die CDU hat sich stets als Wirtschaftspartei mit einem konservativen Familienbild empfunden. Momentan präsentiert sie sich als Schutzherrin bunter Lebensentwürfe, die immer noch ein wenig Geld mehr verteilen möchte. An der Basis herrscht latente Unruhe, und sie könnte zu einem Zeitpunkt aufbrechen, an dem die SPD sich nach Jahren wieder beruhigt.
Dafür, dass die SPD sich mit sich selbst wieder verträgt, müssen jedoch auch die Spitzenkräfte etwas mehr tun. Karl Lauterbach, den man den eher redseligen Heulsusen zurechnen muss, hat nämlich ausnahmsweise ebenfalls Recht, wenn er im "Spiegel" eine verständlichere Sprache der SPD fordert. Seine Vorschläge "Leistung schlägt Herkunft" oder "Tod der Zweiklassenmedizin" sind gewiss verbesserungsfähig. Aber die SPD hat auch kompetente Köpfe.
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