Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern
IM-MV: Verfassungsschutzbericht 2018 für M-V vorgestellt/Innenminister Caffier: Historische Erfahrungen beherzigen und politische Extremisten entschieden bekämpfen!
Schwerin (ots)
Der Minister für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier hat heute den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 vorgestellt. Auch 2018 waren zahlreiche Angriffe auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu verzeichnen:
- Die Gefahr islamistischer Anschläge ist nicht gebannt. Das salafistische Lager in Mecklenburg-Vorpommern ist weiter angewachsen.
- Rechtsextremisten zeigten erneut eine anhaltende Gewaltbereitschaft und setzten ihre menschenverachtende Propaganda gegen Migranten fort. Sie bleiben damit eine zentrale Herausforderung für die Sicherheitsbehörden des Landes.
- Linksextremisten agitierten fortgesetzt - auch zunehmend gewalttätig - gegen den demokratischen Rechtsstaat. Die Gewaltdelikte der politisch motivierten Kriminalität "Links" 2018 haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
- Die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter hat weiter zugenommen. Gleichzeitig waren Bemühungen um einen höheren Organisationsgrad der Szene zu beobachten.
"Extremisten gefährden ein gedeihliches und demokratisches Miteinander und versuchen, an den Grundfesten unserer Gesellschaftsordnung zu rütteln. Dem gilt es, notfalls auch mit staatlicher Härte, Grenzen zu setzen", sagte Minister Caffier. "Das Grundgesetz, das vor 70 Jahren in Kraft trat, ist das Fundament, auf dem die heutige deutsche Demokratie ruht. Mit ihm wurden die notwendigen verfassungsrechtlichen Konsequenzen für eine stabile "Wehrhafte Demokratie" in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand gezogen. Alle Demokraten sind aufgerufen, dies nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen und sich auch des Wertes rechtsstaatlicher Institutionen bewusst zu sein."
Zur Lageentwicklung im Einzelnen:
Rechtsextremismus
Obwohl die rechtsextremistische Szene auch 2018 nicht an das Aktionsniveau früherer Jahre anknüpfen konnte, gehen von ihr weiterhin erhebliche Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aus. Sorge bereitet insbesondere die im Vergleich der Vorjahre weiterhin hohe Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten und die außerordentlich aggressive Propaganda, die letztlich auch zu terroristischen Strukturen führen kann.
Bedenklich sind auch Versuche, sich als "Bewahrer der öffentlichen Sicherheit" zu präsentieren, etwa mit der "Schutzzonenkampagne" der NPD. Zu nennen sind hier auch die "Soldiers of Odin", die ein rockerähnliches Auftreten zeigen und im Jahre 2018 erstmals in unserem Land beobachtet wurden. Größere öffentlich wahrnehmbare Aktionen blieben jedoch aus. Dies ist wesentlich auf die weiterhin schwächelnde "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) zurückzuführen. Erst im letzten Quartal 2018 waren zaghafte Versuche der Partei erkennbar, wieder politisch sichtbarer zu werden. Hierbei nutzte sie die von ihr gesteuerte Bewegung "Mecklenburg-Vorpommern gegen die Islamisierung des Abendlandes" (MVGIDA) nach längerer Zeit erstmals wieder für Mobilisierungszwecke. Hintergrund dieser Entwicklung dürfte die bevorstehende Kommunalwahl sein.
Personenpotenzial Rechtsextremismus
- Das im rechtsextremistischen Spektrum aktive Personenpotenzial bewegte sich mit ca. 1.500 auf dem Niveau des Vorjahres (2017). Allerdings war ein weiteres Abschmelzen des parteigebundenen Lagers festzustellen. Dort ging die Zahl von 310 auf 260 zurück. Dies beruht auf der sinkenden Mitgliederzahl der NPD.
Im Bereich des parteiungebundenen Lagers war ein leichter Anstieg von 550 auf 570 zu verzeichnen. Im weitgehend unstrukturierten Spektrum stieg die Zahl von 640 auf 670. Ungefähr die Hälfte des Personenpotenzials ist gewaltorientiert. Dies entspricht dem Bundestrend.
- Im Jahre 2018 wurden mit 872 (2017: 986) deutlich weniger rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert. Davon bildeten Propagandadelikte mit 665 Vorfällen (2017: 702) erneut den Schwerpunkt. Dies entspricht einem Anteil von gut 75% an allen rechtsextremistischen Straftaten.
Mit 43 Gewalttaten gegenüber 84 im Jahr 2017 haben sich diese nahezu halbiert. Davon hatten die allermeisten, nämlich 39 (2017: 74), eine fremdenfeindliche Motivation. Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist im Berichtszeitraum jedoch auf neun gestiegen (2017: vier). Die Anzahl antisemitischer Straftaten hat sich im Jahr 2018 mit 54 gegenüber dem Vorjahr (44) erneut gesteigert, wobei im Einzelfall jedoch bei den un aufgeklärten Delikten nicht immer ganz eindeutig klar ist, ob eine rechtsextreme politische Motivation tatsächlich zugrunde liegt.
- Das Demonstrationsgeschehen war vergleichsweise schwach ausgeprägt. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere die Neonazis, die ihren Organisationsprozess vorrangig im Raum Rostock fortgesetzt haben, zahlreiche Aktivitäten entfalten, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Rituale der rechtsextremistischen Szene
- So führte die Szene auch 2018 ihre typischen Rituale durch. Es waren u. a. Sonnenwendfeiern, Veranstaltungen zum "Heldengedenken", Aktionen zum Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß und sogenannte Zeitzeugenvorträge festzustellen.
Der alljährliche "Trauermarsch" am 8. Mai in Demmin wurde erstmals unter der direkten Verantwortung der NPD organisiert.
Kampfsportaktivitäten von Rechtsextremisten
- Darüber hinaus haben Kampfsportveranstaltungen bundesweit deutlich an Bedeutung gewonnen. Auch in unserem Land waren diese vereinzelt festzustellen. Diese sollen auch der Vorbereitung auf die angeblich notwendige Selbstverteidigung im Krisenfall dienen. Gerade mit Blick auf wachsende Unsicherheiten in der Gesellschaft wird hier durchaus auch die Gefahr von Gewalteskalationen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gesehen.
- Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich zudem regelmäßig an überregionalen oder internationalen Veranstaltungen, wie größeren Konzerten, "Gedenkmärschen" und Demonstrationen.
Rechtsextremistischer Verdachtsfall: "Identitäre Bewegung Deutschland"
- Die weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall bearbeitete "Identitäre Bewegung" (kurz: IBD) führte im Berichtszeitraum erneut eine Reihe von Propagandaaktivtäten durch, die sich schwerpunktmäßig gegen die Migration richteten. Zudem baute die IBD ihre Strukturen im Raum Rostock aus, was auch von bundesweiter Bedeutung ist.
Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter
- Die Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter hat sich im Berichtszeitraum erneut weiterentwickelt. 2018 stieg das Personenpotenzial von ca. 400 auf etwa 450 an. Zudem konnten Bestrebungen beobachtet werden, sich stärker zu organisieren. Gründe für den Anstieg sind u.a. die Aufhellung des Dunkelfeldes, die gestiegene Sensibilisierung der betroffenen Behörden und die konsequente Aufklärung des Verfassungsschutzes.
Der Anteil der Rechtsextremisten lag bei ca. 30 Personen, also unter 10%. Dies zeigt, dass es sich um eine eigene Form des Extremismus handelt, die aber aufgrund der weit verbreiteten Irrationalität hinsichtlich des Gefahrenpotenzials keinesfalls unterschätzt werden darf. Insbesondere Personen mit Waffenbesitz muss hier auch weiterhin eine besondere Aufmerksamkeit zukommen. "Wir werden daher die Anstrengungen zur Unterbindung des Waffenbesitzes durch Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit konsequent fortsetzen", betont Minister Caffier.
Linksextremismus
Die Aktivitäten der linksextremistischen Szene im Jahr 2018 waren maßgeblich durch Aktionen gegen den politischen Gegner und das Thema "Antirepression" geprägt.
Personenpotenzial Linksextremismus
- Insgesamt werden dem Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern rund 520 Personen (2017: 450) zugerechnet, davon sind 280 Personen (2017: 290) als gewaltbereite Linksextremisten eingestuft. Der deutliche Anstieg des Personenpotenzials des "Rote Hilfe e.V." auf 250 Personen (2017: 170) steht im Zusammenhang mit den Straftaten und Ermittlungen in Folge des G20-Gipfels 2017 in Hamburg.
- Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg im Jahr 2018 auf 89 (2017: 76) an. Auch die Zahl der Gewaltdelikte hat sich im Jahr 2018 mit 26 gegenüber dem Vorjahr (11) mehr als verdoppelt. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, da es für die linksextremistische Szene in Mecklenburg-Vorpommern im Berichtsjahr keine besonders herausragenden Ereignisse gab, wie beispielsweise Landtagswahlen oder ein in räumlicher Nähe stattfindendes Großereignis, vergleichbar dem G20-Gipfel im Jahr zuvor.
Folgende Aktionsfelder waren im Berichtszeitraum von Bedeutung:
Gewaltorientierter "Antifaschismus"- Aktionen gegen politische Gegner
- Hauptaktionsfeld der Linksextremisten war auch im Jahr 2018 der allgemeine "Kampf gegen Rechts" und hier insbesondere gegen die AfD.
- Bereits 2017 war ein deutlicher Anstieg der Angriffe auf Parteibüros zu verzeichnen, insbesondere auf die Parteibüros der AfD. Diese ansteigende Tendenz setzte sich auch im Jahr 2018 fort, wo 28 dieser Fälle registriert wurden (2017: 16; 2016: 1).
- Eine besorgniserregende Bedeutung für die Vernetzung über den Linksextremismus hinaus hat bundesweit die "Interventionistische Linke" erlangt. Diese hat im letzten Jahr die gewalttätigen Aktionen rund um den "Hambacher Forst" maßgeblich beeinflusst. Auch in unserem Land ist sie entsprechend in Erscheinung getreten, daneben mit Protesten gegen die AfD.
Gewaltorientierter "Antifaschismus"- Brandstiftung und Sachbeschädigung am ehemaligen Sitz der IB
- Weiterhin standen auch Studentenverbindungen und die "Identitäre Bewegung" nach wie vor im Fokus der Linksextremisten. Wie bereits im Vorjahr gab es auch im Jahr 2018 Sachbeschädigungen durch Graffiti-Schmierereien sowie einen körperlichen Angriff auf einen Verbindungsstudenten.
"Antirepression"
- Mit dem Begriff "Repression" verbinden Linksextremisten nahezu jedes hoheitliche staatliche Handeln. Dies gilt insbesondere für die Strafverfolgung linksextremistischer Aktionen und deren Überwachung. Die bedeutendste linksextremistische Organisation in diesem Themenfeld ist der bundesweit aktive Verein "Rote Hilfe e.V.", der in Mecklenburg-Vorpommern mit zwei Ortsgruppen in Rostock und in Greifswald vertreten ist und im Schwerpunkt Rechts- und Hafthilfe für Personen des linken / linksextremistischen Spektrums leistet.
- Neben dem "Rote Hilfe e.V." war in Rostock 2018 auch die "Schwarz-Rote-Hilfe" wieder aktiv. Anders als der "Rote Hilfe e.V." verfolgt diese Organisation den Ansatz der sogenannten kreativen "Antirepression" und organisiert hierfür Workshops und Informationsabende sowie besondere "Begleitaktionen" zu Gerichtsverhandlungen, um das Handeln der Justiz zu stören und wenn möglich lächerlich zu machen.
Sonstiger Ausländerextremismus
Zum Ausländerextremismus insbesondere mit Bezug auf die PKK ist im Berichtszeitraum Folgendes festzustellen:
Personenpotenzial Sonstiger Ausländerextremismus
- Die PKK ist in Deutschland, was Anhängerzahlen, Organisationsgrad und Mobilisierungspotenzial betrifft, nach wie vor die bedeutendste Kraft im Bereich des nicht religiös motivierten Extremismus mit Auslandsbezug.
- Die PKK ist in Mecklenburg-Vorpommern in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Das mehr oder minder aktive PKK-Klientel beträgt landesweit wie im Jahr 2017 ca. 250 (bundesweit 2018: ca. 14.500/ 2017: ca. 14.500) Personen. - Auch in unserem Land sind weiterhin regelmäßige sogenannte Spendensammlungen und Mobilisierungen für überregionale Großveranstaltungen zu beobachten.
Die größte Veranstaltung mit etwa 400 Teilnehmern fand in Rostock als Reaktion auf die türkische Militäraktion in Afrin statt.
Islamismus / Islamistischer Terrorismus
- Der islamistische Terrorismus stellt weiterhin die größte Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und somit auch für Mecklenburg-Vorpommern dar.
- Der Salafismus ist in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern Europas nach wie vor eine dynamisch wachsende, islamistische Bewegung. Mit Stand September 2018 wurde in Deutschland ein Potential von 11.300 Salafisten festgestellt - was eine Steigerung von 500 Personen gegenüber dem Dezember 2017 bedeutet. Im Land Mecklenburg-Vorpommern ist diese Zahl im gleichen Zeitraum nur geringfügig von 130 auf 135 angestiegen.
Die Bedrohungslage ist weiterhin angespannt.
- Auch 2018 war, wie in den Vorjahren, eine Reihe von Hinweisen auf Personen zu bearbeiten, die aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland gekommen sind und dort in unterschiedlicher Weise in jihadistische Organisationen eingebunden waren.
Rund 34 % der hier bekannten Salafisten stammen aus dem Nordkaukasus, rund 40 % aus Syrien.
- Die Landesregierung verfügt auch für 2018 über keine bestätigten Informationen zu islamistischen Ausreisefällen aus Mecklenburg-Vorpommern nach Syrien oder in den Irak.
- Besorgniserregend ist auch das Zusammenwachsen von Extremismus und Organisierter Kriminalität, wie dies jüngst auch eine Analyse des BKA für Tschetschenen verdeutlicht hat, die in Neubrandenburg eine seit Jahren wachsende Community bilden.
Verurteilung eines Syrers aus Schwerin wegen Vorbereitung eines islamistisch motivierten Sprengstoffanschlages
- Am 30. November 2018 wurde der syrische Flüchtling Yamen A. durch den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das es dazu kam, ist das Ergebnis einer sehr guten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.
- Yamen A. war am 31. Oktober 2017 wegen des Verdachts der Vorbereitung eines islamistisch motivierten Sprengstoffanschlags festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, spätestens im Sommer 2017 den Entschluss gefasst zu haben, in Deutschland inmitten einer größeren Menschenansammlung einen Sprengsatz zünden zu wollen. Dazu hatte er sich über das Internet die notwendigen Kenntnisse und Zutaten zum Bau eines hochgefährlichen Sprengsatzes TATP besorgt und mit dessen Bau bereits begonnen. Der Zugriff erfolgte zum exakt richtigen Zeitpunkt - nicht zu früh und nicht zu spät!
Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz
- Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird aber nicht nur durch Extremisten hier im Land gefährdet. Deutschland und damit auch Mecklenburg-Vorpommern ist als Hochtechnologieland Gegenstand von Konkurrenz- und Wirtschaftsspionage sowie Angriffsziel unterschiedlicher ausländischer Geheimdienste. Dabei benutzen diese ein breites Angriffsspektrum. Dieses umfasst sowohl Desinformationskampagnen und den Einsatz von Einflussagenten als auch gezielte Maßnahmen, um militärische und wirtschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. In zunehmendem Maße wird dabei digitale Vernetzung für Angriffe auf technologisches und wissenschaftliches Know-how genutzt.
- Nicht zuletzt muss auch das sogenannte Seidenstraßenprojekt Chinas und der damit einhergehende gezielte Auf- und Einkauf deutscher Schlüsselindustrien als elementare Gefährdung von Freiheit und Wohlstand wahrgenommen werden. Auch die Verfassungsschutzbehörden sind bestrebt, hier ebenfalls ihre Frühwarnfunktion wahrzunehmen.
- Der Verfassungsschutz ist in diesem Sinne Ansprechpartner für Unternehmen in Fragen des präventiv ausgerichteten Wirtschaftsschutzes (vgl. Homepage des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern www. verfassungsschutz-mv.de).
Den gesamten Verfassungsschutzbericht 2018 finden Sie als Download unter http://www.verfassungsschutz-mv.de/
Rückfragen bitte an:
Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern
Pressestelle
Michael Teich
Telefon: 0385/588-2008
E-Mail: michael.teich@im.mv-regierung.de
http://www.regierung-mv.de
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